Vorschlag-Hammer:Kompetent ignoriert

Nein, man muss nicht jeden kulturellen Hype mitmachen. Über den Luxus der Verweigerung

Kolumne von Christiane Lutz

Gerade wurde die allerletzte Folge der Serie "Game of Thrones" ausgestrahlt. Das war für sehr viele Menschen ein sehr bewegendes Ereignis. Das schließe ich detektivisch daraus, dass sehr viele in diesem Haus, auf Instagram und bei Twitter darüber gesprochen haben. Ich selbst habe nicht den blassesten Schimmer, um welches Game es in dieser Serie geht und welcher Throne da gemeint ist. Ich weiß nur, es kommt eine blonde Frau mit Zöpfen vor, ein sehr kleiner Mann, angeblich sterben sehr viele, und es ist immer Winter. Ach ja, der Becher einer weltweit aktiven Kaffeehauskette wurde vergessen aus einer Szene zu entfernen, was viele Fans aufregte. Sonst weiß ich nichts, null, nada, niente. Das hat nicht einmal damit zu tun, dass ich mich nicht für Fantasy (und ich hoffe, mit der Kategorisierung liege ich halbwegs richtig?) erwärmen könnte oder diese Serie mit großer, argumentativ gestützter Geste ablehne. Ich habe einfach sehr spät von "Game of Thrones" erfahren, da war mindestens schon Staffel vier im Gange, und dann war mir das zu anstrengend, diese endlosen winterlichen Folgen nachzuholen.

Dinge vollständig zu ignorieren ist ein Luxus, den ich mir ab und zu gönne. Denn wenn man sich auch nur ein wenig damit beschäftigt, läuft man Gefahr, etwas Interessantes zu finden und sich dann zu grämen, wenn man keine Zeit dafür hat. Neben "Game of Thrones" betrifft meine Ignoranz auch noch das just vergangene DOK-Fest, alles, was Autor Karl Ove Knausgård geschrieben hat und inzwischen auch den "Tatort", den als Ritual anzueignen mir trotz mehrerer Versuche nie gelungen ist. Zu viel schlechte Laune am Sonntagabend. Ich finde es absolut okay, gewisse Bereiche gar nicht erst anzurühren. Schließlich gibt es viel zu viele Themen, die man nicht ignorieren sollte: Politik, den guten Rat der Mutter, Post vom Finanzamt.

Aufmerksamkeit schenken möchte ich an dieser Stelle umso herzlicher dem Z Common Ground, jener Zwischennutzung in der Zschokkestraße, die in den vergangenen Wochen allerlei schräge Kunstprojekte und Theaterproduktionen zeigte und eine wirkliche Bereicherung für die Stadt war. Am 2. Juni ist offiziell Schluss, Finissage mit Programm, auch das hübsche Stück Werthers Quest For Love (eine Produktion der Kammerspiele) wird noch einmal zu sehen sein. Ausdrücklich hingewiesen sei auch auf Sophie Scholl - Liebe in Zeiten des Widerstands. Das Theaterprojekt erzählt die Liebesgeschichte zwischen Sophie Scholl und Fritz Hartnagel - in der LMU, dem Ort, an dem die Weiße Rose aktiv war (1. Juni, 20 Uhr, 2. Juni, 18 Uhr, Lichthof der LMU). Jonathan Hutter, den man als Schauspieler vom Volkstheater kennt, hat die Inszenierung gemeinsam mit seiner Schwester Rahel entwickelt.

Ich habe meine Kollegen übrigens gefragt, die meisten kennen das entlastende Gefühl, das Programmheft für das ach so spannende Dings einfach in all seiner Pracht nicht aufzuschlagen, weil sie es ausnahmsweise mal nicht müssen. Gerade, weil wir als Kulturredakteure ja ständig Programmhefte lesen und beackern müssen. Deshalb: Mut zur gepflegten Ignoranz. Dann bleibt mehr Kraft für anderes Schönes.

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