Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Kleines Glück in Serie

Rein physisch war ich auf Teneriffa, mit Mojito in der Hand, Füßen im Pool und Rock von den "Strokes" im Ohr, aber in Gedanken folgte ich den Freundinnen Elena und Lila durch Neapel. Und wissen Sie was? Gerhard Polt würde sagen: "Da fahr' ma nimmer hin!"

Von Bernhard Blöchl

Vor ein paar Wochen, als ich Erholung noch rückwärts im Schlaf in mehreren Sprachen buchstabieren konnte, war ich in Urlaub im Neapel der Fünfzigerjahre, mit Familienfehden, Silvesterschießerei und ersten Lieben. Also physisch war ich auf Teneriffa, mit Mojito in der Hand, Füßen im Pool und Rock von den Strokes im Ohr, aber in Gedanken folgte ich den Freundinnen Elena und Lila durch den Rione ihrer Heimat. Und wissen Sie was? Gerhard Polt würde sagen: "Da fahr' ma nimmer hin!" Ins Hard Rock Hotel in Adeje schon, da gab es sogar E-Gitarren auf dem Zimmer. Aber was Elena Ferrantes umjubelte Neapolitanische Saga angeht, steige ich nach dem ersten Roman "Meine geniale Freundin" aus. Klar, die Nuancen der Freundinnenbeziehung und ihre geheimnisvollen Wechselwirkungen sind beeindruckend gezeichnet, die Geschichte hat die Tiefe einer guten Bolognese. Aber mir persönlich war die Sprache schlicht zu schlicht, und mit Büchern, die jeden Funken Humor vermissen lassen, also ohne ein schelmisches Mundwinkelzucken zurechtkommen wollen, habe ich halt so meine Schwierigkeiten. Weil es nicht in mein subjektives Weltbild passt. Flapsig gesagt: Ich habe nicht angebissen.

Und darum soll es hier gehen: um Serien und Reihen im Kulturzirkus, um die Freude an Kontinuität. Denn wenn Einzelteile die Cheeseburger mit Spezialsoße sind, dann sind Serien die dekadenten Menüs beim großen Fressen der Kulturhungrigen. Um zunächst bei den Büchern zu bleiben: Der Mix im Literaturhaus ist so eine wiederkehrende Veranstaltung, bei der die Gäste immer wieder neue spannende Autorenstimmen kennenlernen (und deren Lieblingsgetränke und -musik, was ja nun nicht zu verachten ist). In Kürze stellen sich hier Jovana Reisinger, Björn Vedder und Sonja Heiss mit ihren Werken vor (8.11.). Ein vergnüglicher Pflichttermin für das mehrteilige Format im Bereich der bewegten Bilder ist das Seriencamp, das sich seit 2015 als erstes deutsches Festival für TV-Kultur etablieren möchte. An diesem Freitag und Samstag, 27. und 28. Oktober, laufen in den Kinos der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) etwa 50 Produktionen aus aller Welt. Wer kein Sky- oder Netflix-Abo hat oder neue Folgen etwa von "The Walking Dead", "American Horror Story" oder "Babylon Berlin" immer schon mal auf der Leinwand bestaunen wollte, der sollte sich Gratis-Tickets sichern (seriencamp.tv). Premieren, Diskussionen und erste Ausschnitte gibt es auch: Fans von "The Big Bang Theory" können beim Programmpunkt "US Comedy Preview" in den Auftakt des Spin-Offs "Young Sheldon" hineinschauen, der von der Kindheit des Obernerds Sheldon Cooper handelt. Bazinga!

Gute Songs in Serie schreibt übrigens Gisbert zu Knyphausen. Gut deshalb, weil sie wortschön, gefühlsschwanger und lebensklug sind, ohne Formatradiomachern penetrant den Wohlstandsranzen zu pinseln. Mit neuer Band und Platte zeigt der Melancholiemusenküsser im Technikum (2.11.), warum es unmöglich ist, ihm nicht über die Jahre zu folgen.

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Quelle:
SZ vom 26.10.2017
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