Vorschlag-Hammer:Im Geist von 1968

Das Pathos Theater gleicht von außen einer Ruine, innen ist es nicht viel besser. Und doch ist der Raum erfüllt von einer Aura

Kolumne von Egbert Tholl

Das gute alte Pathos Theater ist eine der wunderlichsten Spielstätten in München. Von außen gleicht es einer Ruine, innen ist es nicht viel besser, und doch ist es ein Raum, der erfüllt ist von der Aura, 20, 30 Jahre Theater erlebt zu haben. Auch wenn das historisch total schief ist, fällt einem dazu Folgendes ein: Die Münchner Kammerspiele inszenieren zur Feier des Jahres 1968 eine "Besetzung" des Schauspielhauses, die a priori so durchgeplant scheint, dass man an die explosive Kraft, die es da zu feiern gilt, kaum zu denken wagt. Vor allem dann, wenn man gerade eine Doku über Valie Export gesehen hat, eine österreichische Künstlerin, die 1968 auch in München Sachen machte, die zwar seit geraumer Zeit in ihrer gnadenloser Körperlichkeit wieder von jungen Künstlern als Inspirationsquelle gesehen werden, die aber kaum verträglich scheinen mit dem Ambiente der ehrwürdigen Kammerspiele.

Am selben Tag, wenn die Kammerspiele 1968 feiern, hat im Pathos, das eher an ein Valie-Export-Happening erinnert, ein "Faust" Premiere. "Faust" erfüllt in diesem Jahr ohnehin die ganze Stadt, man kann mithin die Pathos-Produktion als eine vom "Faust-Festival" unabhängige Ouvertüre sehen, die dem Raum Rechnung trägt, was in der Projekt-Beschreibung so klingt: "Die dem Pathos eigene Patina, der abblätternde kalkige Anstrich, der wie in mediterranen Gegenden übliche Verfall des Gebäudes, die notdürftig reparierten Stellen sind die zentrale Szenerie von Grete F.M.G.-Faustprojekt. Der Abend bewegt sich durch dessen Schichten. Wir legen sie frei."

Im Pathos haben sich Schichten abgelagert von: gescheiterten Clubabenden; grandiosen Clubabenden; theatertreffengeeigneten Performances; allergrößtem Unsinn; theaterspielenden Kritikern; inszenierten Besäufnissen; Hochzeiten, Geburtstagen und vielen Versuchen, freie Szene am Laufen zu halten. Gut, seit geraumer Zeit ist es ein bisschen spinnwebig hier, was auch mit einigen abenteuerlichen baulichen Beschränkungen zu tun hat. Besser ist es immer noch, die Schuhe nach dem Pathos-Besuch zu putzen und nicht vorher. Aber das klingt doch irgendwie voll 1968, auch wenn man damals die Schuhe nachher auch nicht geputzt hat. Wie auch immer: Als Ort der Historie einer lebendigen Münchner Theatergeschichte taugt das Pathos allemal. Auch wenn es 1968 noch keine Rolle spielte. Nachher dann schon, im selben Geist.

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