Vorschlag-Hammer:Hofnarren und Aufklärer

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Genau fünf Jahre gibt es die jetzt im ZDF die "Anstalt" in der Besetzung mit Claus von Wagner und Max Uthoff, und als nicht humorfreier, politisch interessierter "mündiger Bürger" müsste man da eigentlich ein paar Dankesbriefe schreiben. Anders als alle anderen Kabarett- oder Comedy-Formate nehmen sie sich ja stets ein brisantes Thema vor, aus dem sie vor allem durch harte Recherche eine oft drastische Komik gewinnen

Kolumne Von Oliver Hochkeppel

Ja, der Maxi Schafroth hat es gut gemacht, stimmt. Auch das Singspiel, okay, ein nettes Kasperltheater für Erwachsene, mit einigen Längen, aber guten Darstellern. Alles richtig. Aber König Fußball wollte es, dass man einen ungewohnten Vergleich bekam: Wegen des (für einige Zeit letzten) Champions-League-Krachers rutschte der Nockherberg im BR ja vom angestammten Mittwoch auf den Dienstag - und wurde so Vorprogramm für die "Anstalt" im ZDF. Genau fünf Jahre gibt es die jetzt in der Besetzung mit Claus von Wagner und Max Uthoff (den Co-Autor Dietrich Krauß darf man ebenso wenig vergessen wie die fast immer passend ausgesuchten, in eine neue Art Ensemble-Kabarett eingebundenen Gäste).

Anders als alle anderen Kabarett- oder Comedy-Formate nehmen sie sich ja stets ein brisantes Thema vor, aus dem sie vor allem durch harte Recherche eine oft drastische Komik gewinnen. Diesmal war der Dieselskandal samt zugehöriger auto-freundlicher Verkehrspolitik dran. Und so sah man Verkehrsminister Andreas Scheuer erst live zu einigen süffisanten Nettigkeiten lachen, bevor ihm danach so richtig eingeschenkt wurde. Vom Schoßhündchen des Herrn "Zwetschge" (alias Daimler-Chef Zetsche) sank der gelernte Lehrer bis zum von Sir Isaac Newton höchstselbst entlarvten Klippschüler. Der Format-Check fällt im direkten Vergleich eindeutig aus: Das eine ist eine in Bierwerbung verpackte moderne Form des Hofnarrentums, bei dem die Fürsten hinterher huldvoll winken, das andere ein rar gewordenes Stück aufklärerischer Satire.

Das eine wird hinterher seitenweise und auf allen Kanälen abgefeiert, das andere bekommt ein paar Blog-Kommentare und nette Zugriffszahlen in der Mediathek. Dabei müsste normalerweise nach jeder Anstalt ein Aufschrei durch die Republik gehen, wenn wieder einmal detailliert die Abnutzungserscheinungen des Systems aufgezeigt wurden, von der Verfilzung der Entscheider bis zum Vorrang ökonomischer Einzelinteressen vor dem Gemeinwohl. Die meisten wollen es offensichtlich nicht zu genau wissen, es reicht, wenn man sich amüsieren kann. Oh, das klingt jetzt aber arg verbissen. Dabei habe ich nichts gegen Amüsement. Zum Beispiel bei den letzten Siegern des Kabarett Kaktus, die am 27. in der Drehleier ihr erstes Preisträger-Gastspiel geben. Politik spielt bei Juri von Stavenhagen und Konstantin Korovin direkt kaum eine Rolle, dafür verstehen es die Poetry-Slam- und Stand-up-gestählten Herren meisterhaft, den Alltag ins Absurd-Komische rutschen zu lassen. Gereimt und mit Musik beherrscht das kaum einer so gut wie der Blonde Engel aus Linz (26.3., Lach- und Schießgesellschaft). Wer es dann doch richtig böse mag, der muss zum österreichisch-fränkischen Hardcore-Gipfeltreffen mit Martin Puntigam und Matthias Egersdörfer (25.3., Lach- und Schießgesellschaft) unter dem schönen Titel "Erlösung". Da gibt's zum Beispiel mörderische Revolutionsfantasien bei Austern und Cremant.

© SZ vom 15.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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