Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Hochkultur trotz Niederschlag

Viele Besucher der Biennale in Venedig verpacken sich erst einmal wasserdicht. Ganz wetterunabhängig ist man dagegen immer im Kino

Kolumne von Josef Grübl

Und jetzt zum Wetter: Er könne leider nicht in sein Hotelzimmer gehen, textete mir Oliver Masucci vor kurzem, denn da sei es viel zu heiß. Also erreichte ich ihn im Garten seines Hotels. Doch während der Schauspieler in der Sonne Kroatiens über kommende Projekte sprach, fror ich im nasskalten München. Ein paar Tage später fuhr ich selbst in den Süden, genauer gesagt nach Venedig. Dort konnte ich leider nicht aus dem Hotelzimmer gehen, denn da war es viel zu nass. Das gerade erst durch alle Nachrichtenkanäle gespülte "acqua alta" machte auch vor der Gasse meiner Herberge nicht halt. Hochwasseropfer bin ich trotzdem keines: Zum einen war ich kurz vor dem Höchstwasserstand schon wieder weg, zum anderen steigen die Fluten erst spätabends und sinken im Laufe des Vormittags. Besucher der Biennale di Venezia haben deshalb wenig zu befürchten, auch wenn die Anlagen an einem Tag teilweise geschlossen waren: Die Länderpavillons und Werfthallen, in denen man noch bis 24. November ebenso großartige wie großspurige Kunst besichtigen kann, haben frühmorgens ohnehin nicht geöffnet - und sie sind weit vom Hochwasser-Epizentrum Markusplatz entfernt. Viele Besucher verpacken sich dennoch wasserdicht: oben mit Regenponchos, unten mit Plastiksäcken auf Laufsohle, die aussehen, als hätte man seine nassen Haxen bei der Müllabfuhr abgeladen.

Wetterkapriolen gibt es in Zeiten des Klimawandels aber nicht nur in Norditalien, sondern überall auf der Welt. Ich habe keine Ahnung, wie momentan das Wetter in Rumänien ist, weiß aber, dass im Filmmuseum das Rumänische Filmfestival stattfindet - wetterunabhängig und noch bis Sonntag, 17. November. Das junge Kino der südosteuropäischen Republik hat einen exzellenten Ruf, ebenso wie jenes aus Griechenland. Der bekannteste griechische Regisseur dreht zwar mittlerweile in England und Amerika, trotzdem steht Yorgos Lanthimos' Oscar-Hit The Favourite auf dem Programm der Griechischen Filmwoche (noch bis 24. November im Gasteig). Zu sehen ist dort aber auch deutlich Abseitigeres: Im Dokumentarfilm When Tomatoes Met Wagner etwa wird die Frage erörtert, ob Tomaten besser schmecken, wenn man ihnen Richard Wagner vorspielt. Reichlich Sonne und Wasser helfen zwar auch, aber allein darüber einen Film zu machen, wäre wohl wirklich abseitig. Zwei Tage nach den Griechen geht es im Münchner Kinoherbst weiter in den Süden, auf einen anderen Kontinent gar: Die Lateinamerikanischen Filmtage starten am 26. November, zu sehen sind Festivalhits wie Monos oder Luciérnagas im Werkstattkino, Gasteig und Instituto Cervantes.

Fast zeitgleich dazu veranstaltet das Theatiner Kino erstmalig eine Französische Filmwoche, mit Previews wie Hors normes oder Klassikern wie Zazie dans le métro von Louis Malle. Zwischendurch reise ich aber auch vom heimischen Sofa aus um die Welt: Nach New York zum Beispiel (in der Anthologie-Serie Modern Love bei Amazon Prime Video), oder nach Minnesota (in der dritten Staffel der Netflix-Serie Fargo). Aber Achtung: Dort ist das Wetter noch scheußlicher als aktuell in München.

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Quelle:
SZ vom 15.11.2019
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