Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Herbstlese

In der Woche der unabhängigen Buchhandlungen gibt es deutschlandweit Kurioses und Wortstarkes zu entdecken. Inspiriert stöbern lässt es sich auch im Büchersalon im Kreativquartier, Münchnens literarischer Kolchose.

Von Bernhard Blöchl

Als ich neulich Buchhändler war, habe ich drei Dinge gelernt. Erstens, Mädchen kaufen tatsächlich mehr Romane als Jungs (die wiederum mehr Bücher über Informatik). Zweitens, als Berater muss man sowohl über Rezeptesammlungen für Schnellkochtöpfe respektive Weintrinker Bescheid wissen als auch konkrete Buchideen parat haben für vage Wünsche von Menschen kurz vor der Rente, "die gerne verreisen". Drittens, man kann schon beim Versuch, das Produkt der Wahl an der Kasse einzuscannen, scheitern. Eingeladen wurde ich von Hans Grünthaler von der Buchhandlung Schmid in Schwabmünchen. Am sogenannten Autorensamstag in der Woche der unabhängigen Buchhandlungen (noch bis 11. November) sollten die, die Romane schreiben, denen zur Hand gehen, die diese verkaufen. Lehrreich war das allemal. Und das Gefühl, einer Krimileserin, die es nicht nur mörderisch, sondern auch lustig mag, die Tür zum Wolf-Haas-Universum aufstoßen zu dürfen, war ziemlich erhebend. Literaturmuse Hilfsausdruck. Unbedingt unterstützenswert sind inhabergeführte Buchparadiese wie dieses sowieso. An diesem Donnerstag liest hier der wortkraftvolle Underground-Poet Richard Lorenz aus seinen märchenhaft melancholischen Romanen (20 Uhr), und in München kann man im Rahmen der Aktionswoche unter anderen noch Theresia Enzensberger erleben: Bei Lehmkuhl liest sie am selben Abend zur selben Zeit aus ihrem Debütroman "Blaupause".

Münchens wohl eigenwilligste Literaturoase ist der Büchersalon im Kreativquartier. Wer das Konzept noch nicht kennt: Kein Besucher verlässt den Raum, ohne ein Buch mitgenommen zu haben. So lautet hier seit ein paar Jahren die Regel. Kostenlos im Übrigen, Spenden sind willkommen. Und das kam so: Seit die Antiquariatsbuchhandlung Basis an der Adalbertstraße geschlossen wurde, versucht eine Gruppe von Kreativen, die Lagerbestände unters Volk zu bringen, Motto: lieber verteilen als vernichten. Da gibt es Erstausgaben, politische Manifeste, Philosophisches und: Live-Musik. Das nächste Fest zum Stöbern und Lauschen, mit der Crossover-Jazz-Band Aqua Marin, geht an diesem Samstag über die Bühne (20 Uhr, Mucca, Haus 38, Kreativquartier, Eingang Dachauer Straße 114).

Wenn der Büchersalon die literarische Kolchose für Freunde des gepflegten Gestern ist, dann ist die Bücherschau der Showroom für Gegenwartsleser. 20 000 aktuelle Titel von 300 Verlagen sind im Gasteig ausgestellt (als Teil des Literaturfests von 16. November an). Selbstverständlich kann man die Werke hier nur anschauen, nicht mitnehmen. Auch nicht gegen Spenden. Zum Schluss sei noch ein Schlenker nach Wien erlaubt, wohin man eh viel öfter fahren sollte. Wäre ich gerade dort, dann würde ich zur Buchparty Donald Trump Literaturwettbewerb mit Satirestücken von Meistern der Übertreibungskunst, darunter Tex Rubinowitz, gehen (15. November). Und als Buchhändler würde ich den Titel aus dem Milena-Verlag gewiss empfehlen.

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SZ vom 09.11.2017
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