Vorschlag-Hammer:Haltung zeigen

Im Museum Fürstenfeldbruck kann man kunsthistorische Wissenslücken schließen, was russische Kunst aus der Post-Perestroika-Zeit betrifft

Kolumne von Sabine Reithmaier

Ganz ehrlich: Wie viele russische Maler fallen Ihnen spontan ein? Kandinsky und Chagall auf jeden Fall, natürlich auch Kasimir Malewitsch, Natalija Gontscharowa und weitere Vertreter der Russischen Avantgarde. Aber deren Wirken liegt ja doch schon geraume Zeit zurück. Da ist es doch praktisch, dass sich im Museum Fürstenfeldbruck gerade die Gelegenheit bietet, etwaige kunsthistorische Lücken zu schließen und Kunst aus der Post-Perestroika-Zeit kennenzulernen.

Unter dem Titel non konform sind im Kunsthaus 70 Bilder von acht Künstlern aus Moskau, Petersburg, Kasachstan und dem Kaukasus ausgestellt, größtenteils Werke aus der privaten Sammlung der Fürstenfeldbruckerin Lusine Breitscheidel, einer promovierten Medizinerin und Künstlerin. 1973 wurde sie in Armenien, damals noch Teil der Sowjetunion, als Tochter eines Malers und einer Ärztin geboren. Sie sammelt seit Jahren Kunst, kennt alle "ihre" Künstler persönlich; einige von ihnen sind in den Siebzigerjahren in den Westen gezogen und dort auch geblieben, andere kehrten nach 1990 zurück, und die dritte Gruppe hat ihre Heimat nie verlassen.

Die stilistische Vielfalt ist beeindruckend. Nonkonform bedeutet hier allerdings mehr als bloßes Unangepasst- oder Anderssein, es geht um eine politische Haltung, die in Putin-Zeiten leicht zur Ausgrenzung führt. Die staatliche Kulturbehörde konnte jedenfalls vor der Ausfuhr nicht darauf verzichten, einige der Bilder mit dem Stempel "kulturell ohne Wert" zu versehen ("non konform. Russische Kunst aus der Sammlung Breitscheidel", bis 19.4., Kunsthaus Fürstenfeld, Fürstenfeldbruck).

Das würde den schlichten, stillen Plastiken von Marianne Lüdicke nicht passieren. Anlässlich ihres 100. Geburtstags hat Karl Aß, seines Zeichens Kreisheimatpfleger, Kulturbeauftragter der Gemeinde Prien, Leiter des Heimatmuseums und langjähriger Freund der Bildhauerin (1919 bis 2012), eine feine Ausstellung mit Bronzen, Steinplastiken, Terrakotten, Tonbozetti und Zeichnungen zusammengestellt, größtenteils Stücke, die zwischen 1940 und 1960 entstanden und bisher kaum gezeigt wurden. Eindringlich verdeutlichen sie, dass die einst hochgelobte Frankfurterin, die mehr als 70 Jahre lang in Weisham bei Bernau lebte und arbeitete, zu Unrecht fast vergessen ist (bis 2.2., Fr., Sa., So. 14 bis 17 Uhr, Museum Prien).

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