Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Hahn oder Henne

Ein altes Ehepaar hat eine Henne und einen Hahn und kann sich nicht entscheiden. Wenn es den Hahn schlachtet, kränkt sich die Henne, andersherum kränkt sich der Hahn. Ganz ähnlich ergeht es an manchen Tagen auch an Kultur interessierten Menschen in München

Kolumne von Harald Eggebrecht

Es gibt Tage, da weiß ein an Kunst, Musik, Film und Literatur interessierter Mensch gar nicht, wohin er seine Schritte in unserer kleinen Stadt richten soll. Am vergangenen Donnerstag etwa hätte man unbedingt in die Kammerspiele gehen müssen, wo E. A. Duponts Stummfilmmeisterwerk "Das alte Gesetz" von 1923 live mit der neuen Musik von Philippe Schœller zu erleben war. Gleichzeitig boten in der Philharmonie die Philharmoniker Antonin Dvořáks "Stabat Mater", führte das Münchner Kammerorchester mit tollen Solisten sein Aids-Konzert auf, gab es Vernissagen in den Galerien und veranstaltete die Akademie der Schönen Künste einen attraktiv besetzten Abend zum 250. Todestag von François de Cuvilliés.

Das erinnert ein bisschen an Gregor von Rezzoris "Maghrebinische Geschichten": Ein altes Ehepaar hat eine Henne und einen Hahn und kann sich nicht entscheiden. Wenn es den Hahn schlachtet, kränkt sich die Henne, andersherum kränkt sich der Hahn. Das Paar fragt den hochberühmten Rabbi um Rat. Der überlegt, schickt es wieder heim, er müsse nachdenken. Nach ein paar Wochen fragen die beiden nach. Sie erhalten einen Zettel, den sie aber erst daheim lesen dürfen. Dort angekommen lesen sie: "Soll sich die Henne kränken!"

An diesem Sonntag ist wieder so ein Abend, bei dem Vierteilung gut wäre: Im Prinzregententheater spielt der faszinierende Kit Armstrong Bachs "Goldberg-Variationen", eine Stunde später im Herkulessaal bietet eine der besten Bachspielerinnen unserer Zeit, Angela Hewitt, auch die "Goldberg-Variationen". Wer Oper liebt, muss ins Cuvilliés-Theater zu zwei seltenen Stücken von Ernst Krenek und Viktor Ullmann. Wer Kammermusik hoch schätzt, muss sich für den Max-Joseph-Saal entscheiden, wo Solisten des BR-Symphonieorchesters mit dem glänzenden Cellisten Julian Steckel spielen. Was also tun?

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Quelle:
SZ vom 14.04.2018
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