Vorschlag-Hammer:Glück und Schwund

Lesezeit: 1 min

Sie werden aufgelöst oder fusioniert: In Deutschland gibt es immer weniger Orchester

Kolumne von Harald Eggebrecht

In München ist alles gut, hier wird sogar ein neuer Konzertsaal gebaut, weil jeden Abend, wenn denn alle Räume betrommelt, bestrichen, beblasen und besungen werden, mehr als 10 000 Menschen unterwegs sind, um sogenannte Klassische Musik zu hören. Außerdem gibt es Kirill Petrenko, Mariss Jansons, Valeri Gergiev und Kevin John Edusei mit ihren Orchestern, von den privaten Veranstaltern und ihren Konzertreihen nicht zu reden.

Aber insgesamt, wenn man den Blick über München hinaus schweifen lässt, leidet die wegen der Vielzahl ihrer Orchester so gepriesene Bundesrepublik unter so unmerklichem wie kontinuierlichem Schwund an Klangkörpern. 1992 waren es noch 168 öffentlich finanzierte Orchester, in diesem Januar sind es nur 129. Die andern wurden aufgelöst und fusioniert. Und es geht sachte, sachte weiter. Bei Auflösung weiß jeder Bescheid, was das heißt, Fusion hingegen klingt irgendwie nach mehr. Doch Orchester, gerade die bedeutenden, sind stolz darauf, einen eigenen Ton und Charakter zu entwickeln und zu halten. Bei Fusionen werden genau diese "essentials" eingeschmolzen. Es dauert, bis sich aus solchen Schmelzorchestern wieder ein spezifischer, gar unverwechselbarer Klang entwickelt, wenn sie nicht sowieso lieber ganz abgewickelt werden.

Bevor das geschieht, eilen wir noch schleunigst ins Konzert: etwa heute Abend (27. Januar) ins Prinzregententheater, wo gleich drei Streichquartette eine lange Nacht gestalten, das Armida-Quartett, das Danish String Quartet und das Vision String Quartet. Mit von der Partie ist der mindestens ebenbürtige Schlagzeuger Alexej Gerassimez. Am Montag (29. Januar) kommt es für alle Cello-Fans leider zu einer zeitlich gesehen unglücklichen Überlappung: Der fabelhafte Jungstar Kian Soltani tritt um 18. 30 Uhr im Herkulessaal an, während um 20 Uhr Großmeister Yo-Yo Ma ganz allein die riesige Gasteig-Philharmonie bespielt. Würde Soltani 18 Uhr beginnen oder Yo-Yo Ma 20.30 Uhr, könnten alle Aficionados sich ein doppeltes Cellofest bereiten! Am Donnerstag (1. Februar) nicht die zauberische Lisa Batiashvili bei den Münchner Philharmonikern versäumen, wenn sie Jean Sibelius' Violinkonzert beschwört.

© SZ vom 27.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: