Vorschlag-Hammer:Geld oder Geschmack

Wer von klein auf den lieben langen Tag damit beschäftigt ist, Kohle anzuhäufen, dem fehlt zumeist der Sinn fürs Ästhetische

Kolumne von Oliver Hochkeppel

Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles, wusste schon Goethe. Im Faust steht das übrigens, der hier gerade bis Ende Juni mit mehr als 500 Veranstaltungen abgefeierten Mutter aller Dramen. Meist wird das Zitat aber nicht vollständig verwendet, Goethe schloss ein "Ach wir Armen!" an. Er hat eben auch schon gewusst, dass der menschliche Drang zum Monetären auf ewig zu Ungerechtigkeit führen wird, zum Appell an die niederen Instinkte, zur fantasielosen Erbsenzählerei, kurz: zur Herrschaft der Ökonomie über Kunst und Geist.

Denn, und das ist das eigentliche Drama für die Kultur, das große Geld sammelt sich vorzugsweise bei denen an, die damit nichts Kreatives anzufangen wissen. Wer von klein auf den lieben langen Tag damit beschäftigt ist, Kohle anzuhäufen, dem fehlt zumeist der Sinn fürs Ästhetische. Das gilt im Kleinen wie im Großen. Auf einer Geburtstagsparty lernte ich neulich einen Architekten kennen, der beim Bau der überall aus dem Boden schießenden Münchner Schuhschachtel-Riegel tatkräftig beteiligt ist. Mit fatalistischem Unterton erklärte er mir, wer für diese genormten Bunker in letzter Konsequenz verantwortlich ist: Kein Käufer oder gar Mieter will das eigentlich so haben, nicht die Bauträger oder die Wohnraum-fordernden Politiker, schon gar nicht die Architekten - es sind die Banken. Die, die das Geld haben und geben. Und so sehen sie dann eben auch aus, diese sündteuren Wohn-Parzellen: Bankdirektoren-Architektur.

In solche, einer bedingungslosen Nachfrage sicheren Geschäfte wird investiert, nicht in Sachen, die sich nicht über die Masse oder zahlungskräftige Zielgruppen sofort vermarkten lassen. Dazu passt folgender Witz: Treffen sich zwei Jazzmusiker: "Schon gehört, ich hab ein neues Album rausgebracht." - "Und, schon was verkauft?" - "Ja, meine Uhr, mein Auto, meine Wohnung. . ." Nun hat die Kunst schon oft aus der Not eine Tugend gemacht. Gerade weil der Tonträgermarkt vom existenzsichernden Basis- zum Souvenirgeschäft herabgesunken ist, gibt es so viele atemberaubende Live-Konzerte. In den kommenden zwei Wochen kann man mit besonderes hoher Frequenz verwegene, neue Klänge entdecken, die Hoch- und Subkultur verschmelzen und sinnlichen Genuss garantieren, obwohl sie sich den vom Markt und Marketing erwünschten Schubladen völlig verweigern. Angefangen mit den wilden Fusionsexplosionen von Fazer (9.4., Ampere), der neuen Band, in der sich mit Matthias Lindermayr, Paul Brändle, Martin Brugger, Simon Popp und Sebastian Wolfgruber fünf der besten jungen hiesigen Jazzer weit über jeden Jazz-Tellerrand hinauslehnen. Dann bei Monika Roscher und ihrer Indie-Bigband (14.4., Bosco Gauting), bei Manchesters neuer Musiksensation GoGo Penguin (18.4., Muffathalle), beim Berliner Wahnwitz von Wanja Slavins Lotus Eaters (20.4., Unterfahrt) oder bei der Wiener Streicher-Revolution von BartholomeyBittmann (22.4., BMW Welt).

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