Vorschlag-Hammer:Fluchtpunkt Wien

Der Begriff Avantgarde ist heute ungefähr so veraltet wie so vieles, was sich so in den Nachkriegsjahrzehnten des Westens ästhetisch gegen alles Apolitische, Reaktionäre oder gar Revisionistische aufmandelte. Die großen Protagonisten von damals sind von den etablierten Theatern und diversen Festivals längst in den Arm genommen worden

Kolumne von Eva-Elisabeth Fischer

Sommerzeit - Festivalzeit. So geht das schon seit Jahrzehnten. Das merkt man zum Beispiel daran, dass die Sommerszene Salzburg, das in ihren besten Ausgaben aufmüpfige Pendant zu den heute immer noch satten, aber längst nicht mehr weihevollen Salzburger Festspielen, ihr Fünfzigjähriges begeht und ihr längster und prominentester Chef Michael Stolhofer die Beiträge für eine Festschrift sammelt. Die Szene, sie war Mitte der Achtzigerjahre ff. einer der prominenten Treffpunkte der internationalen Tanz- und Theateravantgarde, wo die Künstler und Künstlerinnen nicht nur gastieren, sondern auch produzieren konnten. Damals ein Novum.

Der Begriff Avantgarde ist indes heute ungefähr so veraltet wie so vieles, was sich so in den Nachkriegsjahrzehnten des Westens ästhetisch gegen alles Apolitische, Reaktionäre oder gar Revisionistische aufmandelte. Inzwischen haben die einst geschniegelten Festspiele wie auch die etablierten Häuser einen wie den Protagonisten des postdramatischen Theaters, den Flamen Jan Lauwers, längst umarmt. Oder auch - Gott hab' ihn selig! - den Slowenen Tomaž Pandur, der Ende der Achtzigerjahre erstmals die von Stolhofer erschlossene Perner Insel in Hallein enterte, einen Spielort, den sich wenig später die Festspiele exklusiv unter den Nagel rissen.

Die Szene Salzburg gibt es immer noch jedes Jahr im Juni als eher lokales Event. Und weil es ja wurscht ist, ob man in Salzburg in der Getreidegasse oder in den Gängen des Railjets von Rudeln japanischer Touris abgedrängt wird, kann man auch ein paar Stationen weiter fahren. Nach Wien. Stolhofer ist schon da. Er ist längst ein Festival weiter gehoppt, zum sechswöchigen Mammut Impuls Tanz Wien, wo er insbesondere einem alten Tanz-Film-Drama-Performance-Hasen, nämlich dem Antwerpener Michael Laub, die Stange hält. Der ist heuer wieder beim Festival mit dabei mit seinem neuen Stück "Rolling" im Akademietheater (am 12. und 14. Juli).

Drei alte Männer - Ismael Ivo, Karl Regensburger und eben Stolhofer - schauen den alten Revolutionen hinterher. Einer von ihnen, der Brasilianer Ivo, ist immerhin schwarz. Das Festival hat zur Eröffnung die Linzer Neueinstudierung von Macbeth des Trio Infernal Johann Kresnik, Gottfried Hellnwein und Kurt Schwertsik eingeladen, ein Blutbad der besonderen Art aus dem Jahr 1988, weshalb sie den Wiener Schlachthof leerkaufen und es am nächsten Tag keine Blunzn geben wird. Im Gegensatz zu Kresnik, der heuer 80 wird, ist Pina Bausch seit zehn Jahren tot. Aber ihr Werk wird nach wie vor beatmet, weshalb das Tanztheater Wuppertal in Wien nun mit Masurca Fogo gastiert (vom 16. bis 19. Juli im Burgtheater).

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