Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Der Teufel liegt im großen Ganzen

Lesezeit: 2 min

Um Volksnähe bemüht, veranstaltet der BR am 10. März auf dem Max-Joseph-Platz einen Faust-Mob, bei dem Passanten, Schauspieler der Endlos-Soap "Dahoam is Dahoam" und Sprecher des BR "Faust" lesen und dabei aus einem Faust-Mobil gefilmt werden sollen. Von Spontaneität, wie sie einem Flashmob ursprünglich eigen ist, kann bei dieser geplanten und publizierten Zusammenkunft wohl kaum die Rede sein - es sei denn, es bleiben spontan alle daheim

Kolumne Von Eva-Elisabeth Fischer

Es ist wohl an den drei goldenen Haaren des Teufels herbeigezogen, dieses Faust-Festival. Einen nachvollziehbaren Anlass dafür gibt es jedenfalls nicht. Es sei denn, man hält den Wunsch der Ausstellungsmacher von Du bist Faust in der Hypo-Kunsthalle nach ein paar Begleitveranstaltungen für eine geniale Initialzündung zu größerem. Und reiht sich, der Behauptung folgend, Faust seien wir alle, ein in die zum Mega-Event hochgepimpte Je-ka-mi-Sause. Um Volksnähe bemüht, veranstaltet zum Beispiel der BR am Samstag, 10. März, zwischen 11 und 19 Uhr auf dem Max-Joseph-Platz einen Faust-Mob, bei dem Passanten, Schauspieler der Soap "Dahoam is Dahoam" und Sprecher des BR "Faust" lesen und dabei aus einem Faust-Mobil gefilmt werden sollen. Von Spontaneität, wie sie einem Flashmob ursprünglich eigen ist, kann bei dieser geplanten und publizierten Zusammenkunft wohl kaum die Rede sein - es sei denn, es bleiben spontan alle daheim.

Dabei hätte es durchaus ein Jubiläum gegeben, nämlich ein Ereignis, das 70 Jahre später in Gestalt einer Rekonstruktion als Gegenstand kritischer Betrachtung taugte: Am 6. Juni 1948 ging im Prinzregententheater Werner Egks Faustballett "Abraxas" in der Choreografie von Marcel Luipart über die Bühne und entfachte einen von Staats wegen inszenierten Skandal. Der bayerische Kultusminister Alois Hundhammer ließ Libretto und Aufführung verbieten. Er tat dies nicht etwa, weil er es anstößig fand, drei Jahre nach Ende des "Dritten Reiches" das Werk eines Hitler-Lieblings und von den Nazis als Gottbegnadeter Gelisteten aufgeführt zu wissen, sondern weil das inkriminierte Werk den Erzkatholiken in seinen frommen Gefühlen verletzte. Ein Hexensabbat, inszeniert als Schwarze Messe, und dann noch die Obszönität eines blitzenden Tänzerinnen-Schlüpfers - das durfte nicht sein. Noch unter Ivan Liška hatte man eine Wiedereinstudierung des "Abraxas" erwogen und dann wieder verworfen. Liškas Nachfolger Igor Zelensky hat nicht weit genug in den Annalen des Opernballetts zurückgeblättert, um auf den Skandal von einst zu stoßen.

Er blieb beim Jahr 1968 hängen und deklariert nun in der laufenden Spielzeit drei Repertoire-Dauerbrenner zum Festival, das keines ist: das Cranko-Festival. Es erinnert mit Erfolgsabendfüllern an die beiden ziemlich erfolglosen Jahre, in denen John Cranko interimistisch neben Stuttgart das Ballett der Bayerischen Staatsoper leitete. Die Cranko-Feier bildet auch den Kern der Ballettfestwoche vom 14. bis zum 22. April, für die bereits der Vorverkauf läuft. Da gibt es zwar mit dem Portrait Wayne McGregor am 14. April eine Premiere, ansonsten aber nicht einmal das bisher übliche Gastspiel. Teufel, aber auch!

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3896325
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.03.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.