Vorschlag-Hammer:Der Preis der Sesshaftigkeit

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Das Gärtnerplatztheater gehört seit seiner Rückkehr ins prächtig sanierte Stammhaus am Gärtnerplatz nicht mehr zum fahrenden Volk. Aber auch die neue bürgerliche Sesshaftigkeit hat ihren Preis

Kolumne von Eva-Elisabeth Fischer

Das Gärtnerplatztheater ist seit Oktober bekanntlich wieder im Gärtnerplatztheater daheim. Auch Josef E. Köpplinger reibt sich möglicherweise immer noch die Augen, dass sein fabelhaftes Ensemble nun nicht mehr zum fahrenden Volk gehört, sondern sesshaft geworden ist. Von allerlei technischen Schwierigkeiten einmal abgesehen, tun sich ihm einerseits ungeahnte Möglichkeiten auf, aber auch ungeahnte Fallgruben. Ein Kassenrenner wie Priscilla - Königin der Wüste (am 13. Januar, 19.30 Uhr, und 14. Januar, 18 Uhr), diese nostalgische Disco-Hit-Sause durch die australische Wüste dreier Drama-Elsen diverser Sexualität, ist im Viertel, ganz klar, als treffsicherer Faschingskracher programmiert. Da hatte der Intendant wieder mal den richtigen Riecher. Zumal das Schrille und Schräge heute eher als sentimentalisch-lustige Fummel-Parade denn als offensive Zurschaustellung von Anderssein Publikum zieht wie seinerzeit im Film. Denn seit regenbogenbunte Menschen und ihre Beziehungen legitimiert wurden, seit Schwule nicht mehr ihr lautes Pfeifen im finsteren Paragrafenwald sauertöpfischer Moralwächter als Subkultur inszenieren müssen, kapern amüsierlustige Heten deren angestammte Nischen von einst. Und das eben nicht immer freundlich.

Bürgerliche Sesshaftigkeit also hat ihren Preis. Und fordert auch von einem Theaterintendanten, der fünf Jahre lang mit seinem Tross von Provisorium zu Provisorium vagierte, eine neue Verantwortlichkeit. Er macht zum Beispiel die Erfahrung, dass, was an einem Spielort wie der Reithalle durchgeht, an diesem großen Haus am besten schon vor der Premiere abgesetzt gehörte. Es ist vom "Nussknacker" die Rede, dem vorweihnachtlichen Tanz-Waterloo, welches das Dilemma einer Tanzkompanie offenbart, deren zwei Spielzeitpremieren das Trostpflaster für die Operetten- und Musicaldienste darstellen. Es ist nun aber so, dass auch am Gärtnerplatztheater, allerdings zuletzt von 1996 bis 2007 unter Philip Taylor, im besten Fall eine eigene Ästhetik gepflegt wurde, die man als kleinen, feinen Kontrapunkt zum Repertoire des viel größeren und weit üppiger ausgestatteten Bayerischen Staatsballetts goutierte. Dahin müsste man wieder kommen - und wenn schon nicht aus eigener Kraft, so mit künstlerischer Potenz von außen.

Sonst bekommt Der Klang der ungespielten Töne, so der Titel eines "literarisch-musikalischen Abends von und mit Konstantin Wecker" (am 26. Januar, 19.30 Uhr) einen ganz anderen Zungenschlag. Die eigenwilligen Tänzerpersönlichkeiten hätten es verdient, sich in im wahrsten Sinn des Wortes diskutablen Kreationen zeigen zu können. Das Ballett des Gärtnerplatztheaters könnte, nein müsste das zeitgenössische Gegengewicht schaffen zum Staatsballett als Star-besetzter Hort der Ballettgeschichte.

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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