Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Der Mensch im Windkanal

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Die "Design Schau!" ist nicht nur was für Fachbesucher, sondern in diesem Jahr auch etwas für Kinogänger

Kolumne von Susanne Hermanski

Im Doppelkegel von BMW holt man sich leicht mal den Tod. Mindestens aber ein steifes Genick. Es zieht dort an manchen Stellen derart heftig, dass der Besucher sich nicht in der schicken Event-Location der Bayerischen Motorenwerke wähnt, sondern mitten in deren Windkanal. "Tja", sagte also der Mann, der direkt neben mir im Gebläse stand, aber auch keinen rechten Windfang bot, "nicht jeder gefeierte Architekt ist eben auch ein guter Designer." Das war vor ein paar Tagen, bei der Eröffnung der MCBW, der Munich Creative Business Week. Angeschlossen daran ist die "Design Schau!", mit vielen Ausstellungen, Führungen, Aktionen und heuer zum ersten Mal mit eigener Kinoreihe. Zugänglich sind viele dieser mehr als 100 Veranstaltungen für jedermann kostenlos und eben nicht nur für Fachbesucher, wie ich selbst lange dachte. Deshalb gehe ich - ok, dank meines Halses kann ich sowieso nur noch starr geradeaus schauen - schnurstracks in die HFF. Dort, in der Hochschule für Fernsehen und Film, laufen nicht etwa nur Spots, die gutes Design noch besser verkaufen, sondern auch ausgewachsene Dokumentarfilme.

Auch Alexander McQueen - Der Film (So. 17. März, 14 Uhr), eine Hommage an den Berserker der Mode, der 2010 mit 40 Jahren gestorben ist (der Doppelkegel war nicht schuld). Zeit seines Lebens zeigte er, was Mode sein kann, wenn man sie radikal genug zelebriert. Seine letzte Kollektion "Plato's Atlantis" zog die Besucher der Modenschau, auf der er sie präsentierte, wie in ein Wurmloch. Auf der anderen Seite von Raum und Zeit, fanden sie sich wieder in einer apokalyptische Welt voller hybrider Wesen vom Meeresgrund, gewandet in Kleider aus gleißenden Paillettenschuppen, Trikots wie Reptilhäuten und auf Schuhen, die aussahen, als klammerten sich verzweifelt Gürteltiere an die Füße.

Für eine ganz andere Art visionären Designs steht das Bauhaus. Dessen Jubiläum ist die Doku Vom Bauen der Zukunft - 100 Jahre Bauhaus gewidmet (Sa., 16. März, 17 Uhr). Auch der Film Konstantin Grcic - Design is Work verrät schon im Titel, dass bei diesem Mann weniger Exzess und fiebrige Visionen zur Form führen als beim Briten McQueen. Der in München zu einem der wichtigsten Möbeldesigner unserer Tage aufgestiegene Grcic vertritt ein sehr viel protestantischeres Arbeitsethos und sagt zudem - im Anfang war das Wort -, "Die Sprache ist für mich im frühen Prozess fast wichtiger als die Zeichnung." Design sei Arbeit an der Formsprache, an der Grammatik, und Ringen mit dem Material. Regisseur Gereon Wetzel hat selbst einen Namen als Meister der Filmsprache. In "El Bulli" und "How to Make A Book with Steidl", widmete er sich der Verschmelzung von Handwerk und Kunst beim Kochen beziehungsweise Büchermachen. Wetzels Film darüber, wie Grcic an der Gestaltung von Alltagsobjekten arbeitet, passt perfekt zu dessen Stil: Er ist präzise und klar (Fr., 15. März, 17.30 Uhr). Wären das Ergebnis nicht Lampen, Sessel noch Filme, sondern Event-Locations, es könnte sein, dass es darin ein klein bisschen zieht.

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Quelle:
SZ vom 14.03.2019
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