Vorschlag-Hammer:Das Haus der Kunst und andere Politiken

Die Münchner wähnen sich noch auf der Insel der Glückseligen. Aber auch hier spürt man in der Kunstszene einen neuen Wind des Protests

Kolumne von Susanne Hermanski

Die Kultur ist immer eine politische Angelegenheit. "Ein garstig Lied! Pfui! Ein politisch Lied!" Das ließ Goethe in seinem Faust im Auerbachs Keller schon einen Zecher dem anderen zurufen, als der ein Spottlied auf das in Auflösung begriffene Heilige Römische Reich anstimmte. In diesen Tagen gibt es besonders viele garstige Lieder. Der Joker hat gerade hat in Venedig bei der Mostra del Cinema den Goldenen Löwen gewonnen, eine Dystopie, die sich messerscharf an der Realität bewegt. Sie zeigt, was die Gesellschaften in den USA aber auch in Deutschland zerfrisst und am Ende womöglich zum explodieren bringt (Kinostart: 10. Oktober). Diese Superschurken-Story aus dem Batman-Comic-Universum ist ganz und gar nicht komisch. Ein Mann, der in elenden Verhältnissen aufwuchs und von der sadistischen Welt um ihn nur Hohn und Häme erfährt, wird darin zu dem, was er ist: ein auf viele Arten Missbrauchter und Gedemütigter, der sich zum Monstrum wandelt. Als solches entwickelt er eine solche Kraft, dass er anderen zur Identifikationsfigur wird. Und die Revolte, die sie gemeinsam losbrechen, ist fürchterlich.

In München freilich, wo die Welt im goldenen Herbstlicht leuchtet, auf dieser ewig sich sicher wähnenden Insel der Glückseligen, droht kein solcher Gewaltexzess. Jedenfalls noch lange nicht. Politisiert ist die Kultur hierzulande trotzdem. Auch in der neuen Saison, die traditionell mit der Open Art beginnt, am ersten Wochenende nach den Sommerferien. Seit jüngerer Zeit schließen sich den Galeristen auch noch die Various Others an, alle möglichen anderen Kunstinstitutionen der Stadt, wie die Pinakotheken und andere staatliche wie private Ausstellungshallen. Auch das Haus der Kunst ist darunter, dieses ewige Politikum.

Es eröffnet am Donnerstagabend seine Ausstellung Markus Lüpertz - Über die Kunst zum Bild, auch sie ist: ein Politikum. Und das nicht nur, weil allein schon über ihr Zustandekommen gestritten wurde. Manche sehen darin auch einen Affront gegen die Linie, die der frühere Direktor Okwui Enwezor eingeschlagen hatte. Vor allem aber werden Schau und Haus nun erneut zum Thema für die Parteipolitik.

Kunstminister Bernd Sibler, CSU, wird die Vernissage nutzen, um ein Grußwort zu sprechen. Er wagt gar Vorschusslorbeeren, die er an die Presse verschickt: "Bei der Ausstellung ist die Verbindung von Musik, Film und Kunst hervorragend gelungen." Und das Haus der Kunst preist er als einen "herausragenden Ort für die zeitgenössische Kunst in Bayern". Doch auch die Opposition, Die Grünen, bringen sich schon über ihre kulturpolitische Sprecherin im Landtag, Sanne Kurz, in Position. Sie verschickt gemeinsam mit dem LMU-Doktoranden Christian Steinau ein Papier, auf dem sie zehn "Thesen zur Krise im Haus der Kunst"aufführen. Sie sprechen darin vom "kulturpolitischen Super-Gau", geißeln das Versagen der Verantwortlichen und fordern mehr öffentliche Debatte über all das. - Ein garstig Lied eben.

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