Vorschlag-Hammer:Alte Italiener

Irgendwie scheint es immer noch unglaublich, dass eine Holzschachtel Millionen wert ist: In München spielt der interessante junge Geiger Linus Roth auf einer Stradivari Mendelssohns Violinkonzert

Von Harald Eggebrecht

Irgendwie scheint es immer noch unglaublich, dass eine Holzschachtel aus Fichte und Ahorn, ob Geige, Viola oder Cello, nur weil sie ein alter Italiener im 17. oder 18. Jahrhundert gewiss kunstvoll zusammengesetzt hat, Millionen wert ist. Aber die Instrumente von Antonio Stradivari oder Giuseppe Guarneri del Gesú waren schon in ihrer Entstehungszeit begehrt, von Fürsten und Königen bestellt und gekauft für ihre Hofkapellen. Oder sie waren selbst Amateure, die auf solchen Instrumenten spielen wollten. Das geschah in vergleichsweise intimen Räumen vor geladenem kennerischem Publikum. Dem Niedergang der Hofkultur folgte auch der Abstieg der großen Geigenbaukunst. Spätestens seit Paganini beginnt aber der Wiederaufstieg der altitalienischen Meistergeigen, -bratschen und -celli. Die Barockgeigen der Amati, Stradivari und Co. wurden nun umgearbeitet fürs Zeitalter der Stars, die die Ware Musik in großen Sälen einer bürgerlichen Gesellschaft gegen Gage darbieten. Manch einer, auch Paganini selbst, wird zum Experten und Händler von Instrumenten. Das war bald lukrativer als so mancher Auftritt. Nun kaufen reiche Leute "Stradivaris", die Preise steigen, weil die Zahl der Einzigartigen nicht steigen kann. Außerdem wird der Markt immer größer: Er erweitert sich von Europa um Nord- und Südamerika, um Australien und nun um Asien. Das heißt, überall braucht man gute Instrumente, aber die "Antiken" lassen sich nicht vermehren, so steigt der Preis bei wachsender Nachfrage und steigt . . . Inzwischen können sich auch berühmte Spieler kaum noch eine eigene "Strad" leisten. Heute sind viele Instrumente daher in Stiftungen und Sammlungen, die sie dann Hochbegabten und Meistern leihen.

Wenn dann, wie jüngst beim Internationalen Joseph-Joachim-Violinwettbewerb in Hannover, gleich fünf Stradivaris auf der Bühne präsentiert werden, dann ergreift nicht nur Ehrfurcht vor der Unübertrefflichkeit dieser "alten Italiener" die Zuschauer, sondern es lässt sie auch der Gedanke schaudern, gerade den teuersten Quadratmeter Europas vor sich zu haben, um die 30 bis 40 Millionen!

In München aber spielt an diesem Dienstag (13. 10.) im Prinzregententheater der interessante junge Geiger Linus Roth auf einer Stradivari Mendelssohns Violinkonzert. Und am Donnerstag (15. 10) gibt es wieder die Qual der Wahl: Entweder zum BR-Symphonieorchester mit Mariss Jansons in die Philharmonie oder in den Herkulessaal zum Streichtrio mit Natalia Prishepenko, Diemut Poppen und Sebastian Klinger oder ins Prinzregententheater zum Münchner Kammerorchester zur Uraufführung eines Auftragswerks fürs MKO von Atac Setzer.

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