Süddeutsche Zeitung

Vorbericht:Alles frisch gemixt

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Komponist wider Willen: Der Berliner Barkeeper Michael Gregor Scholl kehrt in München zur Musik zurück

Von Rita Argauer, München/Berlin

Es bedurfte einer Drohung, damit sich Michael Gregor Scholl breitschlagen ließ, wieder mit dem Komponieren anzufangen. Denn eigentlich ist Scholl Barkeeper in Berlin; und sehr zufrieden damit. Er mixt Drinks im "Le Croco Bleu" und im "Rum Trader" und ist sogar ziemlich bekannt dafür, das recht kunstvoll zu tun. Bis eines Abends Yoel Gamzou in seiner Bar stand. Und mit dem jungen israelischen Dirigenten trat Scholls einstige Profession wieder auf den Plan. Denn das gepflegte Gespräch von Barkeeper zu Gast entwickelte sich in Richtung Musik.

Gamzou wird nun die überarbeitete Fassung von Scholls Cello-Konzert uraufführen, zusammen mit dem überregionalen Studierenden-Orchester "Junge Philharmonie München" und dem Cellisten Stefan Hadjiev. Denn nach dem Bar-Besuch war Gamzous Interesse für die Musik des eloquenten, aber doch auch recht störrischen Barkeepers geweckt. Er kehrte mit der Idee, Scholls Cello-Konzert aufzuführen, in die Bar zurück. Scholl, der sich eigentlich seit über zehn Jahren vom Musik-Zirkus verabschiedet hatte, war das gar nicht recht. Doch: "Gamzou hat damit gedroht, das Konzert aufzuführen", sagt Scholl und fügt in seiner schnoddrigen Art an: "Ich habe ihn gefragt, warum er sich das antun will." Nun, Gamzou wollte das unbedingt, deshalb sah sich Scholl genötigt, sich wieder der Musik zu widmen. Denn die Fassung von 2004 - als das Stück von seinem Widmungsträger, dem Cellisten Guido Schiefen uraufgeführt wurde, - die habe er wirklich keinem antun wollen.

Dennoch ist Scholls Rückkehr in die Konzertsäle keine Aschenputtel-Geschichte. Denn er hat sich ja bewusst gegen das Musikgeschäft entschieden: "Ich war auch einmal ein hoffnungsfroher Komponist, der glaubte, dass die Welt auf ihn warte", erzählt er. Doch für eine Auftragskomposition ist er zu eigenwillig. "Ich habe das nur einmal für 'Jugend Musiziert' gemacht, das Stück habe ich nie angehört." Und dann habe er eben irgendwann auch festgestellt, dass da niemand auf ihn gewartet habe. "Ich habe meinen eigenen Ansprüchen nicht mehr genügt; und dann soll man lieber den Mund halten."

Scholl hat da schon eine sehr spezielle Art, darüber zu sprechen. Denn relativ rücksichtslos lässt er hinter die Fassade der hehren Kunstausübung blicken. Das ist selten in der Klassik-Szene. Die Studenten und angehenden Profi-Musiker der Jungen Philharmonie dürfte eine solche Haltung aber auch erfrischen. Denn der Schein, der in der klassischen Musik bis auf wenige Ausnahmen unter allen Umständen bewahrt wird, hält nicht immer die erquickendste Musik bereit. Scholls trockener Kommentar dazu: "Qualität ist da ein eigenwilliger Lösungsweg." Trotz solcher Aussagen spricht da keine frustrierte Künstlerseele. "Ich bin jetzt alt genug, dem Ganzen mit einer gelassenen Ironie zu begegnen", sagt der 52-Jährige.

Also habe er sich nach der Begegnung mit Gamzou mit seiner Frau beratschlagt, ob sie es abermals mit einem Komponisten als Partner aufnehmen wolle. Die Gattin wollte, ließ verlauten, dass es weitaus Schlechteres gäbe; Scholl entschloss sich zur Rückkehr zur Musik. Als seine Bar im Sommer geschlossen hatte, widmete er sich dem ersten Satz, den er "völlig umgearbeitet" habe. Es war das erste Mal seit 2004, dass er wieder komponierte. "Nach einer Woche Arbeit war ich allerdings wieder drin", sagt er. Und Gamzou plant mit dem International Mahler Orchestra schon eine weitere Zusammenarbeit mit Scholl. Der geht nach dem Konzert in München jedoch erst einmal seinen Musiker- und Mix-Kollegen Stefan Gabányi besuchen. Natürlich in dessen Bar.

Neue Philharmonie München , Mittwoch, 9. März, 20 Uhr, Herkulessaal, Residenzstraße 1

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SZ vom 09.03.2016
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