Vorauseilende Selbstzensur:Mohammed-Softcore

Wegen einer Beschreibung der Hochzeitsnacht Mohammeds stoppte der US-Verlag Random House das Buch "The Jewel of Medina". Salman Rushdie übt scharfe Kritik.

J. Häntzschel

Kritik am Islam lag der Journalistin Sherry Jones völlig fern, als sie "The Jewel of Medina" schrieb, einen historischen Roman, der die Geschichte von Aischa erzählt, der kindlichen Lieblingsfrau des Propheten Mohammed.

Vorauseilende Selbstzensur: Salman Rushdie - wegen seines Buches "Die satanischen Verse" wurde er von Muslimen mit dem Tode bedroht. Den jüngsten Fall von Selbstzensur bei Random House kritisierte er scharf.

Salman Rushdie - wegen seines Buches "Die satanischen Verse" wurde er von Muslimen mit dem Tode bedroht. Den jüngsten Fall von Selbstzensur bei Random House kritisierte er scharf.

(Foto: Foto: Reuters)

Im Gegenteil: Sie ist nach eigenem Bekunden fasziniert von der Religion, wenn auch, so scheint es, auf etwas sentimentale Weise. Doch nun ist das eher leichtgewichtige Buch Gegenstand einer sehr ernsten Debatte geworden.

Als der Roman der Bertelsmann-Tochter Random House angeboten wurde, zögerte man dort nicht lange. Jones' dampfender Orientalismus versprach, ein Erfolg zu werden. Bis der Verlag einige Islamwissenschaftler um ihre Meinung bat. Eine von ihnen, Denise Spellberg von der University of Texas, nannte das Buch "Softcore-Pornografie" und "eine sehr hässliche, dumme Arbeit".

Die Schilderung der Hochzeitsnacht, in der der 53-jährige Mohammed mit seiner neunjährigen Gattin schläft, eine der wenigen veröffentlichten Passagen, unterstützt dieses Urteil. Doch nicht ihre Kritik an der literarischen Qualität und an der historischen Ahnungslosigkeit der Autorin störte den Verlag. Sondern Spellbergs eindringliche Warnung, Autorin, Verlag und allen, die mit dem Buch zu tun haben, drohe eine ähnliche Verfolgung durch radikale Islamisten wie Salman Rushdie oder den Verantwortlichen im dänischen Karikaturenstreit.

Random House handelte prompt: Das Buch flog aus dem Programm. Jones, die schon an einer Fortsetzung schreibt, für das sie ebenfalls einen Vertrag mit Random House hatte, wurde abgefunden und sucht nun nach einem neuen Verlag.

Sofortiger Rauswurf

Seitdem reißt die Debatte nicht ab. Salman Rushdie verurteilte den Verlag; ähnlich war der Tenor in der amerikanischen Presse. Nicht um die Qualität oder den Inhalt des Buchs gehe es, das bisher kaum einer lesen konnte, sondern ums Prinzip: Mit vorauseilender Selbstzensur wie dieser tue man nicht nur dem Islam keinen Gefallen, man unterminiere auch die im eigenen Kulturkreis geltende Meinungsfreiheit - mit langfristig katastrophalen Folgen für die intellektuelle und künstlerische Debatte.

Mittlerweile hat Sherry Jones scharf gegen Random House Stellung bezogen. Spellberg wiederum verwahrte sich gegen den Eindruck, sie habe das Buch im Alleingang verhindert. Doch bei ihrem Vorwurf, es handle sich um "anti-islamische Polemik" blieb sie.

Auch im Internet hat die Debatte bereits ihren Niederschlag gefunden: in tausenden, bisweilen offen hetzerischen Kommentaren gegen das Einknicken des Verlags vor den Gefühlen der Moslems. Der nächste Schauplatz des Konflikts wird wohl in Europa liegen, wenn das Buch, wie geplant, in Italien, Dänemark, Spanien und Ungarn erscheint. Die serbische Ausgabe wurde nach Protesten vom Markt genommen.

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