"Volver" - Morbides Kino aus Spanien:Mann zu entsorgen

In Pedro Almodóvars neuem Film muss Penélope Cruz zeigen, wie sie elegant "Frauenprobleme" beseitigt. Mit Trailer

Tobias Kniebe

Das Bild, in dem sich der ganze Film verdichtet, ist das Bild einer Putzfrau bei der Arbeit. Eigentlich hat sie bereits Feierabend, sie ist zuhause und schon halb in Unterwäsche, trotzdem muss sie eine gewaltige Sauerei beseitigen, die sich in ihrer Wohnung zugetragen hat. Küchentücher saugen auf, was aufzusaugen ist, ein Wischmop wird geschwungen und mit geübten Handgriffen ausgewrungen. Ihre dunklen Augen funkeln vor Entschlossenheit, ihre Frisur, die zu einem pechschwarzen Vogelnest aufgetürmt ist, löst sich langsam auf, die Anstrengung treibt Raimunda die Röte ins Gesicht und den Schweiß auf die Stirn. Dann ist das Gröbste beseitigt. Sie wischt mit dem Handrücken eine Haarsträhne beiseite, lehnt sich irgendwo an - und auch wir Zuschauer dürfen einmal kurz durchatmen: Ist dies vielleicht die glamouröseste Putzfrau aller Zeiten? Und: Haben wir die Schauspielerin Penélope Cruz je so sinnlich gesehen? Dann klingelt es an der Tür, der Nachbar will irgendetwas und erkundigt sich besorgt nach dem Blutfleck an ihrem Hals, und Raimunda sagt nur: "Frauenprobleme".

"Volver" - Morbides Kino aus Spanien: Eine putztüchtige Hausfrau kann auch eine Leiche entsorgen.

Eine putztüchtige Hausfrau kann auch eine Leiche entsorgen.

(Foto: Foto: Tobis)

Was ja wirklich stimmt. Worum geht es in "Volver - Zurückkehren" und auch ganz allgemein im Schaffen des spanischen Großmeisters Pedro Almodóvar, wenn nicht um Frauenprobleme? Und wie bitte sollte Raimunda ihren erstochenen Ehemann, der gerade in der Küche liegt und dessen Blut nun halbwegs aufgewischt ist, anders bezeichnen? Hier kommt schließlich einiges zusammen: Die völlige Nutzlosigkeit der Lebensform Mann etwa, in seinem Phänotyp als arbeitsloses, betrunkenes Schwein, dessen sexuelle Übergriffe die 14-jährige Tochter Paula (Yohana Cobo) nur mit dem Küchenmesser zu stoppen wusste - ein Vorfall allerdings von solcher Banalität, das er gar nicht gezeigt wurde; dann der resolute Überlebenswille der Proletarierfrau, deren Löwenmuttermut mindestens bis in den italienischen Neorealismus zurückreicht; die Prinzipien der weiblichen Solidarität, manifestiert in der Entscheidung der Mutter, sofort die Schuld der Tochter auf sich zu nehmen; und schließlich eine Art Leichenbeseitigungsfieber à la Hitchcock, klassischer Hollywood-Starappeal inklusive.

Das klingt nach einem vollen Programm für den Rest des Films, aber dem besessenen Geschichtensammler Almodóvar reicht es gerade mal für 20 Minuten. Drei weitere Frauenfiguren müssen erzählt werden: Raimundas weniger glamouröse Schwester Sole (Lola Duenas), die einen illegalen Friseursalon betreibt und auf einmal mit der Erscheinung ihrer toten Mutter fertig werden muss, die sich benimmt als sei sie aus Fleisch und Blut; die Mutter selbst, die nach 18 Jahren Zerwürfnis wieder von der ursprünglichen Almodóvar-Muse Carmen Maura gespielt wird, mit einem unerschrockenen Mut zur Hässlichkeit und einer Präsenz, die weit über eine Geisterscheinung hinausgeht; und schließlich noch die todkranke Freundin Agustina (Blanca Portillo), die ebenfalls von den Schatten der Vergangenheit verfolgt wird. Genau wie alle diese Frauen erkennen, dass sie ihr Leben am Ende nur gemeinsam meistern können, genauso funktioniert der Geist dieses Ensembles. Völlig klar also, dass der Darstellerpreis von Cannes nicht nur an eine Darstellerin gehen konnte - er ging gleich an alle.

Mann zu entsorgen

Die Vorgeschichte, die diese Heldinnen verbindet und trennt und von der sie, wie es scheint, selbst im Tod nicht ohne weiteres loskommen, diese Vorgeschichte liegt in ihrem Heimatdorf in La Mancha begraben, in das sie immer wieder zurückkehren - und es kann verraten werden, dass die Männer schon damals eine unrühmliche Rolle gespielt haben. Das Zurückkehren - spanisch: volver - in die alte Heimat im Süden der kastilischen Hochebene ist auch eine Rückkehr für den Regisseur selbst. Er ist in dieser Gegend aufgewachsen, wo der stetige Ostwind die Menschen wunderlich, abergläubisch und am Ende verrückt machen soll - und er erinnert sich in "Volver" an seine eigene Mutter, die wie jede andere spanische Frau der Franco-Jahre eine wahre Apartheid durchleben musste: Kein weibliches Wesen durfte ohne Zustimmung des Mannes oder Vaters einen Pass besitzen, ein Konto führen, einen Arbeitsvertrag unterschreiben - und wenn jemand wegen Ehebruchs zu Gefängnis verurteilt wurde, dann war es die Frau.

Wie aber verträgt sich der reale Hintergrund dieses Films, in dem auch Schmerz und Wut zu spüren sind, mit den wilden, manchmal irrwitzigen Volten der Handlung, den Wirrungen einer Geisterkomödie und der offensichtlichen Entschlossenheit, Penélope Cruz mit allen Tricks sinnlich und überlebensgroß aussehen zu lassen - wie eine klassische, Leinwanddiva à la Sophia Loren? Glaubt man ihr am Ende, dass sie Putzfrau ist, ihre Frauenprobleme real sind? Das ist hier die Gretchenfrage. Wer mit freudloser Strenge urteilt, der kann kaum anders, als "Volver" als Leichtgewicht im Almodóvar-Werk abzutun, als massentaugliches Feelgood-Movie ohne den üblichen Stachel gleichgeschlechtlicher Eifersucht, romantischer Transsexueller oder aidskranker Nonnen. Aber das wäre zu einfach.

Die aidskranke Nonne, die kurz vor ihrem Tod noch das Wunschkind einer anderen Frau zur Welt bringt, das war ebenfalls Penélope Cruz - in Almodóvars gefeiertem Oscargewinner "Alles über meine Mutter". Und jetzt mal ehrlich: Auch das war von der Handlung her schon absurd. Mit platter Wahrscheinlichkeitsrechnung darf man diesem Regisseur gar nicht erst kommen. Seine Magie liegt gerade in der Chuzpe, Entschlossenheit und Lässigkeit, mit der er über seine gewagtesten Behauptungen hinwegfilmt - und in dieser Hinsicht ist nun wiederum "Volver" der bisherige Höhepunkt in seinem Werk. Man denke nur an die Einstellung, in der er seine Kamera einmal senkrecht von oben in den Ausschnitt von Penélope Cruz filmt, die gerade Abwasch macht. Noch so ein Bild, indem sich der Film verdichtet: Hier schaut der Regisseur selbst. Es ist kein lüsterner Blick. Aber nicht etwa deshalb, weil es der Blick eines schwulen Regisseurs wäre, der sich zutiefst mit den Frauen identifiziert. Sondern weil er entschlossen ist, nur die denkbar höchste Perspektive überhaupt einzunehmen: den Blick eines Gottes, der sich an seiner Schöpfung freut. Und damit kommt im Weltkino momentan wirklich nur Pedro Almodóvar durch.

VOLVER, Spanien 2006 - Regie und Buch: Pedro Almodóvar. Kamera: José Luis Alcaine. Mit: Penélope Cruz, Carmen Maura, Lola Duenas, Blanca Portillo. Tobis, 121 Minuten.

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