"Vogue" entzündet Rassismus-Debatte:Ich wild, du weiß

Zum ersten Mal zeigt das Titelbild der US-"Vogue" einen schwarzen Mann - nur leider wirkt Basketball-Profi LeBron James neben Gisèle Bündchen wie ein Tier. In den USA entflammt darüber eine Rassismus-Debatte.

Lara Fritzsche

Ein schwarzer Mann auf dem Titelblatt der Vogue, zum allerersten Mal in der Geschichte des Magazins: Die amerikanischen Medien überschlugen sich vor Begeisterung - bis die bejubelte April-Ausgabe ausgeliefert wurde. Sie zeigt keinen schön gestylten Mann auf dem Cover, sondern den bulligen, 2,03 Meter großen Basketballprofi LeBron James von den Cleveland Cavaliers. Leicht eingeknickt steht er da im typischen Outfit seiner Sportart, lässt mit dem komplett tätowierten rechten Arm den Basketball springen. Dabei schreit er, den Mund weit aufgerissen, die Augen zu Schlitzen verengt. In seinem linken Arm hält er noch das zierliche Model Gisèle Bündchen, das in ein Seidenkleid gehüllt wurde.

Was soll das? Bei Käufern und Kritikern der Vogue herrscht Irritation. Die Blattmacher haben vielleicht gar nicht mit Anerkennung gerechnet. LeBron James wirkt bedrohlich, mächtig, sogar feindlich. Seine gebückte Haltung erinnert viele an die Haltung eines Affen. Ein schwerer Verdacht steht im Raum: Das Cover ist rassistisch.

Körperform

In der NBC-Today-Show wird erklärt, dass die Bildkomposition eine Anspielung auf das Kinoplakat des Peter-Jackson-Films King-Kong sei. Anna Wintour, die Chefredakteurin der Vogue, und die Fotografin Annie Leibovitz benutzten das Klischee vom gefährlichen schwarzen Mann, um die Auflage zu erhöhen. Oder - noch schlimmer -, um in Zeiten eines schwarzen Präsidentschaftskandidaten Ressentiments zu schüren.

Alles ganz anders, lässt die Vogue jetzt erklären. Anlässlich der alljährlichen "Shape-Issue", einer Ausgabe, die sich der Körperform widmet, habe man versucht ein interessantes Paar zu finden: "Keiner verdeutlicht die Form-Unterschiede so gut wie ein Sportler und ein Model", sagt Pressesprecher Patrick O'Connell. Aus beiden Branchen habe man den gerade bekanntesten Vertreter gewählt. That's it - mehr sei nicht.

In den Medien wird trotzdem weiter und vor allem kontrovers das Thema Rassismus diskutiert. Wortführer und Zitat-Geber an der West- wie an der Ostküste ist John Hoberman, ein Professor von der Universität Texas in Austin. Er urteilt: "Schwarze werden heute noch dargestellt wie vor einigen Jahrhunderten: unzivilisiert und wild." LeBron werde als sexuell aufgeladenes Tier inszeniert, und er habe es nicht einmal gemerkt.

Negativ

Vielleicht kommt dem gelehrten Mann aus Texas die Debatte ja auch ganz gelegen. Vor elf Jahren erschien sein Buch Darwins Athleten. Hoberman führt darin aus, wie der Sport das schwarze Amerika beschädigt hat und das Märchen der Rassen aufrecht erhält. Vogue könnte geholfen haben, einen späten Abverkauf des Werkes auszulösen.

Es gibt aber nicht nur die Effekt heischende Berichterstattung, sondern auch Betroffenheit. Eine schwarze Redakteurin der Tageszeitung Philadelphia Inquirer hat einen ganz persönlichen Kommentar geschrieben, der auffällig viele Leserreaktionen hervorgerufen hat. "Ich finde es abscheulich", analysierte die Journalistin, "dass LeBron nur als Negativ neben der schönen Gisèle missbraucht wird. Dass ein so sorgfältig produziertes Magazin wie die Vogue diese naheliegende Kritik nicht geahnt hat, das glaube ich schon einmal gar nicht."

Auch der amerikanische Medienkritiker Samir Husni ist sich sicher, dass "die Provokation einkalkuliert ist". Husni - Spitzname "Mr. Magazine" - lehrt an der Universität Mississippi Journalistik und ist eine Institution, wenn es um Zeitschriften geht.

Die Vogue hat den Wirbel um das Titelblatt, sofern tatsächlich eingeplant, dann unterschätzt. Das Cover der Mai-Ausgabe wird brav daherkommen. Es zeigt die Schauspielerin Gwyneth Paltrow. Das New York Magazine findet deshalb: Die Vogue kehre zu ihren alten Standards zurück: Weiblich, weiß und öde.

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