"Viel Lärm um nichts" im Kino:Shakespeare am Pool

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Elisabethanischer Liebesreigen unter kalifornischer Sonne: Fran Kranz (Mitte) als schwer verliebter Graf Claudio auf Tauchgang. (Foto: Edel:Motion)

Blockbuster-Regisseur Joss Whedon inszeniert zur Abwechslung eine entspannt-elegante Westküstenvariante von "Viel Lärm um nichts". Strenge Shakespeare-Apologeten werden sich mit dem Spaß in Cocktailkleidern und Bikinis möglicherweise schwertun, doch die Ironie des Films tut dem Klassiker gut.

Von David Steinitz

Wie entspannt ein schwer gestresster Blockbuster-Regisseur nach dem Mammutdreh einer 200- Millionen-Dollar-Produktion? Im Fall von Joss Whedon, der seine Karriere als TV-Serien-Anarchist begann und nun bei den Marvel-Studios für die Kinoabenteuer des Superhelden-Sextetts "The Avengers" zuständig ist, mit ein bisschen Shakespeare.

Bereits vor ein paar Jahren hatte Whedon in seinem Haus in Santa Monica mit einigen befreundeten Schauspielern regelmäßig weinbeseelte Shakespeare-Leseabende am Pool veranstaltet: "Ein Wintermärchen", "Ein Sommernachtstraum" und, der Liebling der Runde, die neurotische Beziehungskomödie "Viel Lärm um nichts".

Letztere hat Whedon dann prompt nach den anstrengenden Dreharbeiten zum letzten "Avengers"-Spektakel mit seinen Shakespeare-Buddys in seinem Haus um seinen Pool herum verfilmt - als Erholungstherapie sozusagen.

Eine lockere Westküstenadaption des Klassikers ist dabei herausgekommen, quasi ohne Budget und dem sonst üblichen monströsen Apparat einer Hollywoodproduktion gedreht, an nur zwölf Tagen mit einem winzigen Team.

Whedon hat den Originaltext des Stücks bis auf ein paar sanfte Kürzungen und Anpassungen fast ganz übernommen. Die größte Änderung ist die knappe Exposition, in der er mit dem Katermorgen nach einem One-Night-Stand in Shakespeares Liebesintrigen einführt.

Shakespeare-Figuren gut ins heute übersetzt

Die fatalistischen Pärchen Benedikt und Beatrice und Claudio und Hero kabbeln sich nun also in elisabethanischem Englisch unter der kalifornischen Abendsonne des 21. Jahrhunderts, erst in eleganter Cocktail-Garderobe, dann in Bikini und Badehose.

Wobei sie natürlich auch in dieser Umgebung bald einsehen müssen, dass sie sich trotz aller Lust an der Intrige nicht gegen das ihnen vorherbestimmte Liebesglück sträuben können. Maßanzüge und Schnorchel statt Rüstungen und Hofkleider, Afterwork-Chill-out statt Feldzug-Bankett - das sind ohnehin sehr konsequente Übersetzungen der ursprünglichen Soldaten und Edeldamen in moderne Arbeitsameisen mit Erholungsbedarf.

Pures Kino

Zwar wird "Viel Lärm um nichts" unter strengen Shakespeare-Apologeten gerne etwas stiefmütterlich behandelt, weil das Stück im Vergleich zu anderen Werken des Meisters angeblich weniger dramatischen Drive und tragische Fallhöhe besitzt. Auch bricht unter Hardcore-Shakespeareanern nur selten Freude aus, wenn ein Yankee sich ihres Helden annimmt. Aber Whedon schafft es am kalifornischen Pool ganz exzellent, die Stärken dieses Stücks herauszuarbeiten - und vor allem auch daran zu erinnern, warum gerade dieses Shakespeare-Werk pures Kino ist.

Denn "Viel Lärm um nichts" ist natürlich das große Vorbild aller legendären Screwball-Comedies aus Hollywoods Studio-Ära. Den Dialogwitz und das Intrigantentum dieses Klassikers haben praktisch alle großen Komödienregisseure irgendwann einmal kopiert, von Ernst Lubitsch über Billy Wilder bis Howard Hawks.

Gerade auch, weil in diesem Stück ausschließlich über Sex geredet wird, ohne dass über Sex geredet wird, was in den alten Zeiten des Hays-Code ein probates Lehrbuch für Hollywood war, noch die schlüpfrigste Komödie an der Zensur vorbeizuschmuggeln.

In genau dieser Screwball-Tradition hat Whedon seinen Film inszeniert, mit eleganten Schwarz-Weiß-Bildern und von ihm selbst komponierter Filmmusik. Auch die bereits von Shakespeare in den Originaltext geschriebenen Lieder "Sigh No More" und "Heavily" hat er vertont, passend zum Look des Films mit sommerleichtem Piano-Lounge-Sound.

Ein bezauberndes Beispiel dafür, was für elegante Filme man mittlerweile trotz kleinem Budget drehen kann. Vorausgesetzt, man weiß - wie Whedon - die komfortablen Digitalkameras richtig einzusetzen, die Filmemachern ein Heer an Beleuchtern und Assistenten ersparen und trotzdem herrliche Kinobilder ausspucken können.

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Von den SZ-Kinokritikern

Den Soap-Charakter des Stücks unterschlägt der gelernte TV-Mann Whedon in seiner Kinoadaption aber keine Sekunde, sondern hebt ihn explizit hervor. Gerade auch durch das Ensemble halb bekannter Gesichter aus älteren und neueren TV-Serien, wie Amy Acker aus "Angel", die hier die Beatrice gibt, oder Alexis Denisof aus "How I Met Your Mother", der ihr erotisches Komplementärstück Benedikt spielt.

Mit diebischer Freude hat Whedon einige Rollen auch komplett gegen den Typ besetzt, zum Beispiel mit dem nerdigen Fran Kranz, der auch mit Anfang dreißig immer noch nach High-School-Außenseiter aussieht - er spielt den florentinischen Grafen Claudio. Und aus dem intriganten Sidekick Konrad hat Whedon eine hübsche Blondine gemacht.

Warum diese bereits im Original hochmodern-neurotischen Paare sich überhaupt so chaotisch aneinander abarbeiten, dass man sich beständig an die Stirn langen möchte, dafür hat Whedon eine recht simple Erklärung gefunden, die vermutlich aus der eigenen Erfahrung beim Weißweintrinken und Shakespeare-Lesen am Pool heraus entstanden ist: All diese Mädchen und Jungs sind einfach wahnsinnig betrunken, sie sind ja auf einer Party. Das wichtigste Deko-Accessoire sind leere Schnaps- und Weinflaschen, die überall herumstehen.

Passende Ironie

Gerade durch seine ironische Interpretation kann dieser Film vermutlich mehr Englischschüler für Shakespeare begeistern als so manch andere Adaption. Zum Beispiel die vom wohl eifrigsten Shakespeare-Kinomann Kenneth Branagh, der das Stück 1993 etwas sehr werktreu als Kostümspektakel mit wehenden weißen Leinenkleidern inszeniert hat. Weshalb man das Gefühl hatte, dass ihm beim Drehen permanent ein Shakespeare-Symposium im Nacken saß und streng die Zeigefinger hob.

Aber was Expertenmeinungen angeht, ist Whedon mittlerweile wohl schmerzresistent. Die Rache der Nerds muss er schon jedes Mal genug fürchten, wenn er einen neuen "Avengers"-Film vorstellt - denn fanatischer als Shakespeareaner sind wahrscheinlich nur noch Marvelianer.

Much Ado About Nothing , USA 2012 - Regie, Buch, Schnitt, Musik: Joss Whedon. Kamera: Jay Hunter. Mit: Amy Acker, Alexis Denisof, Jillian Morgese, Fran Kranz, Nathan Fillion, Riki Lindhome. Edel: Motion, 109 Minuten.

© SZ vom 25.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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