Videospiel:Playstation-Fußball

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(Foto: EA Sports)

Von Cornelius Pollmer

Die Playstation war schon vor Corona eine Wundermaschine für alle möglichen Träume, gerade aber haben die Ersatzhandlungen an den Knöpfen Kreis, Dreieck, Quadrat und Kreuz etwas Weihevolles. Zu Hause wird die Partie zwischen Union und dem FC Bayern nicht nur ausgetragen, nein, gespielt wird vor vollen Rängen, auf denen Menschen in einer Weise jubeln, dass man als Zuschauerzuschauer eher an eine Freikirche denkt als an einen Fanblock. Besonders groß gerät das Vergnügen, wenn man ein etwas angestaubtes Fifa-Spiel sein Eigen weiß, etwa die Edition 2018. So trägt einen die Maschine noch weiter fort aus einer Welt, die so coronös und sonst wie fiebrig ist, dass schon das selige Jahr 2018 im Vergleich wirkt wie ein fernes Früher, in dem zwar nicht alles besser war, jedoch schon der Transfermarkt im virtuellen Fußballeuropa. Matthijs de Ligt, Kylian Mbappé, Erling Haaland - die Übergrößen von heute gibt es im Spiel von vorgestern noch für vergleichsweise wenig Transfergeld zu erwerben. Und mit der mächtigen Playstation wechseln sie alle ohne Murren sogar zu, sagen wir, der SG Dynamo Dresden, die zur anhaltenden Überraschung der moderierenden Bandansager gerade das dritte Mal in Folge die Champions League gewonnen hat (Höhepunkt des Turniers: die versteinerte Gesichts-Animation José Mourinhos nach einem späten Tor im Halbfinalrückspiel gegen Manchester United). Diese Bandansager übrigens sind die realen Kommentatoren Frank Buschmann und Wolff-Christoph Fuss. Ihre für zahlreiche Spielsituationen eingesprochenen Snippets kennt man bald auswendig und wer sich von den Krisen der Welt tief genug in den Wahn hat treiben lassen, wer freitagnachts schlicht zu lange vor der Wundermaschine sitzen bleibt, der kann irgendwann glauben, Buschmann und Fuss kommentierten nicht mehr den Ball, sondern kommentierten jene reale Welt, von der man sich doch gerade erst abgewendet hatte. "Das könnte gefährlich werden!", rufen die Bandansager warnend aus - und man denkt, Australienfeuer, stürmische Sabine, Corona-Rezession, ja, das könnte wirklich gefährlich... - und schon ist die Chance für Jadon Sancho über links vorbei. Sie wurde nicht gefährlich. Auch mal gut.

© SZ vom 14.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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