Videokunst:Streifzüge ins Dunkel

Sammlung Goetz

Ein Moment zwischen Nacht und Tag, Traum und Wirklichkeit: die Szene aus der Videoarbeit "The Servant" der britischen Regisseurin Sam Taylor-Johnson, die auch "Fifty Shades of Grey" verfilmte.

(Foto: VG Bild-Kunst, Bonn 2019 / Courtesy Sammlung Goetz, München)

Die Sammlung Goetz im Haus der Kunst. Traumhafte Streifzüge, Mondscheinromantik und Grenzen der Realität

Von Evelyn Vogel

Leicht flackert die Flamme in der Hand des Mannes, der wie eine Pappel im Wind sanft hin und her schwankt. Man wartet: darauf, dass er endlich die Zigarette anzündet und geht, darauf, dass er sich anders besinnt und das Haus betritt, wo eine (seine?) Frau ihn mit reglosem Gesichtsausdruck beobachtet. Die britische Regisseurin Sam Taylor-Johnson, zuletzt bekannt geworden für ihre "Fifty Shades of Grey"-Verfilmung, hat "The Servant" 2007 inszeniert. Der Videoloop spielt an der Schnittstelle zwischen Tag und Nacht, zwischen Traum und Wirklichkeit und weist den Weg zu diesem traumhaften Streifzug in 14 Stationen, den Cornelia Gockel für die zwölfte Präsentation der Sammlung Goetz im ehemaligen Luftschutzkeller des Hauses der Kunst kuratiert hat.

Mittlerweile wird dabei nicht mehr ausschließlich Videokunst gezeigt. So startet der Parcours durch die Kabinette mit einem alten Bakelittelefon, dessen Hörer man abnehmen kann, um den Träumen von Janet Cardiff zu lauschen, die sie 2009 in den "Kathmandu Dreams" mit verschlafener Stimme eingesprochen hat. Von dem niederländischen Fotografen Ed van der Elsken sind Arbeiten zu sehen, die dieser während nächtlicher Streifzüge durch die Straßen von Paris in den Fünfzigerjahren aufnahm. Christoph Brech mit seiner Mondsequenz "Dark Cloud" von 2004 und Paul Pfeiffer mit seiner Sonnenaufgangsinszenierung "Morning after the Deluge" von 2003 - beides sind fast meditative Werke - wirken wie Auftakt und Ende der Videokunstinstallationen. Dazwischen finden sich ganz unterschiedliche Arbeiten, in denen die Dunkelheit eine Rolle spielt.

Außergewöhnlich gemacht: Hans Op de Beecks "The Thread". Die Mondscheinromanze eines Punkerpaares, gespielt mit riesigen Handpuppen, ist ein Film, der 2015 für das Espace Louis Vuitton entstanden ist und auch dort gezeigt wurde. Sehr viel politischer ist Op de Beecks zweite hier gezeigte Arbeit, der Kurzloop "Border" von 2001, in dem es um das Schicksal von Flüchtlingen geht, die sich in einem Lkw-Container versteckt halten. Seine erste größere Filminstallation legte Clement Page 2005 mit "Sleepwalker" vor, bei der er die Erlebnisstränge eines Schlafwandlers geschickt auf zwei Screens verteilte.

Jochen Kuhns schon etwas älterer Animationsfilm "Der lautlose Makubra", der ein Rachethema zum Gegenstand hat, wirkt geradezu poetisch im Vergleich zu Olaf Breunings 2000 entstandenem Video "Ugly Yelp", das mit absurder Splatterästhetik hantiert. Fast klinisch wirkt dagegen Thomas Demands 2001 entstandener Loop "Hof". Und als inhaltliche Fortschreibung von Taylor-Johnsons Arbeit könnte man "Neighbour's Yard" von Andro Wekua ansehen. Erzählerisch am komplexesten ist die gut 15-minütige Videoarbeit "Journey Into Fear" von Stan Douglas, die den Zuschauer mit Dialogvarianten verwirrt. Während der sechsminütige Videoloop "Single Wide" des Künstlerduos Teresa Hubbard und Alexander Birchler durch seine Kameraführung die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit gänzlich verwischt.

Nachts. Zwischen Traum und Wirklichkeit, Sammlung Goetz im Haus der Kunst, Prinzregentenstr. 1, bis 6. Januar, Do 10-22 Uhr, Fr-So 10-20 Uhr

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: