Verteidigungsschrift für den Marxismus:Mit Murdoch für eine bessere Welt

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"Warum Marx recht hat" - Terry Eagleton predigt den bußfertigen Kapitalismus. Offenbar glaubt der englische Literaturkritiker, dass das Elend, das "Wirtschaftsführer" im Allgemeinen sowie Rupert Murdoch im Besonderen in der Welt anrichten, bloß Verfehlungen wider besseres Wollen seien. Das hat etwas Absurdes.

Thomas Steinfeld

Im ersten Kapitel des "Kommunistischen Manifests" sprechen Karl Marx und Friedrich Engels von der bürgerlichen Gesellschaft als von einem "Hexenmeister", der "die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor".

Karl Marx - 125. Todestag

Karl Marx: War der Gesellschaftstheoretiker nicht doch ein Prophet, als er meinte, der Kapitalismus werde an sich selber zugrundegehen? Und mit ihm die ganze Welt?

(Foto: dpa)

Als Beleg für diese Behauptung führen sie die "Handelskrisen" an, die nicht nur einen großen Teil der erzeugten Produkte, sondern sogar der bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichteten, worauf die Gesellschaft sich "plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt" finde. Und weil diese Krisen, so Karl Marx und Friedrich Engels, immer gewaltiger werden müssten, sei in ihnen schließlich auch das Ende der bürgerlichen Gesellschaft angelegt: "Die Waffen, womit die Bourgeoisie den Feudalismus zu Boden geschlagen hat, richten sich jetzt gegen die Bourgeoisie selbst."

Zwei Mängel hat dieser Gedanke: Zum einen ist es keineswegs selbstverständlich, warum ein notwendiges Moment der kapitalistischen Warenwirtschaft - nämlich die Überproduktion von Gütern (und heute: von Geld) und die dadurch entstehende Krise - ihr zugleich das Ende bereiten soll.

Dieselbe Geschichte mag ja durchaus weitergehen, in immer neuen Sphären, auf immer neuen Niveaus, eben so, wie Karl Marx diesen Prozess später, im dritten Band des "Kapitals", beschrieb und wie es in den 164 Jahren geschah, die seit der Veröffentlichung des "Kommunistischen Manifests" vergangen sind. Zum anderen muss man für historische Notwendigkeiten nicht agitieren: Wenn der Kapitalismus zwangsläufig am eigenen Untergang arbeitete, könnte man auf die Publikation von Kampfschriften verzichten. Karl Marx und Friedrich Engels schwächen ihre These im selben Augenblick, in dem sie diese aussprechen.

Dem Erfolg der These haben diese Mängel indessen keinen Abbruch getan. Im Gegenteil: wenn der Marxismus seit einigen Jahren wieder interessant erscheint, weniger als Theorie denn als Bestätigung eines kritischen Volksglaubens, das Geld habe sich gegen die Welt verschworen, dann beruht das auf derselben Verwechslung, die auch für die These vom zwangsläufigen Untergang der bürgerlichen Gesellschaft sorgte: auf dem Missverständnis, dass die Krisen, die der Kapitalismus nicht nur hervorbringt, sondern die ihn auch weitertragen, identisch seien mit einer Krise des Kapitalismus selbst.

Ultimative Bedrohung des "ökologischen Gleichgewichts"

Nur dass diese Idee heute noch bequemer ist, als sie im Jahr 1848 schon war: Denn sieht man nicht, allerorten, wie die das hemmungslose Gewinnstreben die letzten Ressourcen dieser Erde vernichtet, wie es den Lebensraum der Menschen zerstört und ganze Völkerschaften in den Ruin treibt? War Karl Marx nicht also doch ein Prophet, als er meinte, der Kapitalismus werde an sich selber zugrundegehen? Und mit ihm die ganze Welt?

Der britische Literaturwissenschaftler Terry Eagleton hat sein jüngstes Werk der Verteidigung des Marxismus gegen dessen Kritiker gewidmet. "Warum Marx recht hat" heißt dieses Buch. Es schließt mit dem Satz: "Es sieht ganz so aus, als würde der Kapitalismus, wenn wir jetzt nicht handeln, unser Tod sein." So kehrt der Gedanke aus dem "Kommunistischen Manifest" wieder, die bürgerliche Gesellschaft werde sich bald selbst zerstören, dieses Mal in der Variante, sie sei die ultimative Bedrohung des "Weltfriedens" und die ultimative Bedrohung des "ökologischen Gleichgewichts".

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