Süddeutsche Zeitung

Versuch eines Telefoninterviews:Nachts um halb drei mit J.Lo

Wer ein Interview mit Jennifer Lopez führt, verliert schnell die Kontrolle. Wie die Diva für ihre neue DVD "Jennifer Lopez - Dance Again" wirbt.

Von Paul Katzenberger, Jerewan

Die Interviewanfrage kommt so plötzlich, dass sie mich auf Reisen erwischt: Jennifer Lopez sei kurzfristig zu sprechen, wird mir mitgeteilt. Und da sitze ich nun in Jerewan, Armenien, und frage mich: Wie entlocke ich dieser Frau ein paar neue Erkenntnisse - und das auch noch am Telefon?

Denn als Interviewpartnerin ist sie eine Herausforderung: J.Lo, wie sie auch in Armenien gerufen wird, ist ja nicht gerade als authentische Künstlerin bekannt. Sie ist vor allem eine perfekt durchkonzeptionierte Kunstfigur.

Sie kommt als Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin zwar auf Rekordgagen, doch ihre Filme werden von der Presse regelmäßig als kitschig verrissen. "Lopez überzeugt durch Zurückhaltung", hieß es in einer Rezension des Melodrams "Ein ungezähmtes Leben", in dem sie an der Seite von Robert Redford auftrat. Über ihre Musik, die meist aus einem Mix aus Pop, R&B und Hiphop besteht, schrieb die Welt einmal: "Ihre Alben klingen eigentlich immer gleich."

Darüber muss man sich mit ihr nicht mehr austauschen, das haben die Kollegen schon zur Genüge getan. Ebenso über den Umstand, dass kaum jemand auf der Welt künstlerische Mittelmäßigkeit mit Erfolg so sehr in einer Person vereinigt wie J.Lo. Dank ihrer körperlichen Attribute ("The Butt"), ihrer Disziplin und ihres stets strikten Kalküls hat sie es schon auf die Forbes-Liste der "100 mächtigsten Frauen der Welt" geschafft (2012) - mit einfachen aber gnadenlos effizienten Mitteln: industrieller Fließband-Latinopop gepaart mit oft tief ausgeschnittenen oder fast durchsichtige Bühnenoutfits.

Hinter dieser Fassade steht allerdings ein ganzes Geschäftsimperium: Jennifer Lopez ist ja auch Produzentin, Modedesignerin, Restaurantbetreiberin, Verkäuferin von Accessoires, Parfums und vielen Dingen mehr.

Neue DVD

Es ist also wohl eher so, dass hier in Jerewan eine knallharte Geschäftsfrau anklopft, die so tut als ob sie über ihre Kunst reden will: Es soll um ihre neue Doku "Jennifer Lopez - Dance Again" gehen, die vor wenigen Tagen auch in Deutschland auf den Markt kam. Das Versprechen lautet: "So privat hat man die Diva nie zuvor gesehen."

Das ist die Botschaft, die J.Lo rüberbringen will. Doch soll man sich da als kritischer Journalist einfach einspannen lassen?

Wohl nur dann, wenn der Film das Versprechen wenigstens ein bisschen halten würde. Doch das ist nur auf den ersten Blick der Fall, wie die Sichtung per Streaming in Jerewan ergibt. In der Doku, die während J.Los erster Welttournee im Jahr 2012 entstand, lässt sie den Zuschauer zwar scheinbar hinter die Kulissen blicken. Es kommen ihre engsten Vertrauten, ihre Eltern, ihre Geschwister und ihre Mitarbeiter zu Wort. Lopez gesteht zudem schmerzhafte Niederlagen ein - wie etwa die Trennung von Ex-Ehemann und Salsa-Sänger Marc Anthony. Doch das Kalkül des Films ist leicht zu entschlüsseln: viele Emotionen transportieren, aber wenige neue oder gar überraschende Fakten.

Alles wirkt von vorne bis hinten abgezirkelt, "Dance Again" wurde ja auch von Lopez' eigener Firma Nuyorican produziert. Wenn es tatsächlich um Transparenz gegangen wäre - hätte es dann nicht viel mehr Sinn ergeben, eine unabhängige Produktionsfirma einzuschalten, die völlig autonom selbst entscheidet, was sie hinter den Kulissen filmt, und was nicht?

Meine Skepsis steigt, als ich merke, dass auch beim Interview nichts dem Zufall überlassen werden soll. Das Gespräch wird mit hohem personellen Aufwand an Öffentlichkeitsarbeitern rund um den Globus vorbereitet. Die Anbahnung liegt in den Händen einer PR-Firma in München. Am Tag des Interviews übernimmt Universal London, die Firma, bei der die Vertriebsrechte für "Dance Again" liegen. Lopez selbst hat sich in New York Zeit für das Gespräch geblockt.

Kompliziert wird das alles dann, wenn durch Hyperaktivität Missverständnisse auf drei Kontinenten produziert werden. Ich gehe davon aus, alles vereinbart zu haben: Die Rufnummer, unter der ich um halb drei Uhr nachts Ortszeit zu erreichen sein werde, ist kommuniziert. Das schriftliche Einverständnis liegt vor, die Gesprächsbedingungen zu akzeptieren ("Keine Fragen zur aktuellen familiären Situation").

Doch Lopez' PR-Maschinerie will stets alles unter Kontrolle behalten: Während ich in Jerewan tagsüber südkaukasische Eindrücke sammle, versucht London mich laufend bei meinen Gastgebern zu erreichen. Die sind zwar eingeweiht und des Englischen mächtig, scheitern aber am britischen Akzent der Anruferin.

Keine große Sache, aber London ist alarmiert, denkt, ich sei gar nicht da, schreibt mir eine aufgeregte E-Mail mit der unbegründeten Annahme, ich sei in meiner Herberge unbekannt. "Ich habe immer wieder versucht, zu sagen, dass Sie abends nach Hause kommen", beteuert meine Gastgeberin zerknirscht bei meiner Rückkehr. Unverzüglich schreibe ich eine E-Mail nach London. Endlich, um halb drei Uhr nachts Ortszeit, ist J.Lo in der Leitung. Und die Zweifel, ob ich nicht nur Teil einer PR-Aktion bin, wachsen weiter.

Dass Superstars vor dem Gespräch Bedingungen über dessen Ablauf stellen, ist normal. Dass während des Telefoninterviews aber permanent eine PR-Frau in der Leitung ist, die versucht, die gestellten Fragen vorzugeben, bringt mich dann doch an die Grenzen meines Kooperationswillens. Als ich das Ansinnen beim zweiten Mal höflich ablehne, führt das prompt nach sieben Minuten zum sofortigen Abbruch des auf zehn Minuten angelegten Gesprächs.

Kontrolle des Kontrollverlusts

Schade - oder auch nicht. Denn in den verlorenen drei Minuten wäre die wahre Jennifer Lopez auch nicht zum Vorschein gekommen. Die Frau ist gut gebrieft, so schnell lockt sie keiner aus der Reserve. Ihre Devise lautet, lieber zu wenig sagen als zu viel. Allzu ausufernde Antworten muss der Interviewer bei ihr nicht befürchten, um Kopf und Kragen redet sich J.Lo nicht. Eher kommen Antworten wie: "Das müssen Sie meine Mutter fragen."

Im Film attestieren ihr Vater David und "Dance Captain" Gilbert Saldivar mehrfach, was für eine harte Arbeiterin sie sei - und das entspricht den Tatsachen. Ihr Erfolg beruht vor allem auf Disziplin, Kontrolle und Stärke. Und Klugheit: Die Absicht, die in der Frage steckt, ob sie sich auch mal eine Schwäche erlaube, erkennt sie sofort: "Ja, hin und wieder. Denn schwach und verletzbar zu sein, erfordert ein höheres Maß an Stärke als sich niemals Schwäche zu erlauben. Ein Künstler muss verletzlich sein. Dies zuzulassen, bedeutet eigentliche Stärke."

Das ist eine sehr gute Antwort für jemanden, der meistens das Gegenteil beschwört. Und vielleicht verrät diese clever-kalkulierte Replik dann sogar auch etwas über den Menschen Jennifer Lopez. Der schafft es sogar, den Kontrollverlust zu kontrollieren.

"Jennifer Lopez - Dance Again" (OmU), Darsteller: Jennifer Lopez, Regisseur: Ted Kennedy, Universal Pictures Germany GmbH, 72 Minuten, seit 24. September als DVD im Handel.

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