Verschwörungstheorien zu 9/11:Schlampig oder schuldig

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Im Internet kursieren Dutzende Filme und Theorien, die beweisen wollen, dass die Terroranschläge vom 11. September 2001 die größte Konspiration unserer Zeit waren. Eine ZDF-Dokumentation geht ihnen nach.

Barbara Vorsamer

Millionen von Menschen haben die Ereignisse des 11. September 2001 live am Fernsehschirm mitverfolgt. Wie also kann es Zweifel geben, an dem, was vor sechs Jahren wirklich passiert ist?

"Nur wenige wissen, was wirklich geschah", behauptet die Dokumentation "Mythos und Wahrheit", die das ZDF am Dienstagabend zeigte. Der öffentlich-rechtliche Sender suggerierte in den ersten Minuten, dass die US-Regierung den Terror von 9/11 selbst inszeniert hat. Handelte es sich bei den Attacken womöglich um die größte Verschwörung unserer Zeit?

Mit der Antwort auf diese Frage lässt sich die Dokumentation bis zum Schluss Zeit. Es hätten wohl auch nicht ganz so viele zugeschaut, wenn die Autoren gleich zu Beginn ihr Fazit verraten hätten: Geheimniskrämerei, Verschleierung und Schlamperei lässt sich der US-Regierung wohl vorwerfen. Für einen Verrat an der Bevölkerung im großen Stil fehlen die Beweise.

Zweifel an der offiziellen Version der Ereignisse sind jedoch angebracht. Warum zum Beispiel schaffte es die amerikanische Luftwaffe nicht, vier langsame Passagierflugzeuge zu stoppen? Die US-Armee gilt als die beste und modernste der Welt. Doch die Kampfflugzeuge flogen dem Philosophieprofessor Jim Fetzer zufolge erstens zu langsam und zweitens in die falsche Richtung.

Luftwaffenexperte Stephen Trimble versucht diesen Lapsus mit mangelnder Koordination und Kommunikation zu erklären: "Die Luftwaffe hatte nicht mit einem Angriff wie diesem gerechnet", sagt er.

Verschwörungsvideos aus dem Wohnzimmer

Die Begründung überzeugt nicht viele und vor allem im Internet kursieren Verschwörungstheorien. Furore machte der 23-jährige Dylan Avery mit dem am Heim-PC produzierten Film "Loose Change". Darin bezweifelt er, dass - wie offiziell verbreitet - ein Passagierflugzeug vom Typ Boeing 757 in das Pentagon gerast sei.

"27 Meter breit ist das Loch in der Außenwand des Pentagons", heißt es in "Loose Change" und weiter wird erklärt, dass der Flugzeugtyp 47 Meter lang, 13 Meter hoch und 38 Meter breit sei. Ein zu kleines Loch also?

Auch der ehemalige Bundesforschungsminister Andreas von Bülow glaubt nicht, dass ein Flugzeug ins Verteidigungsministerium gestürzt ist. Er hält die Explosion einer Cruise Missile für wahrscheinlicher.

Doch auch Indizien für die Richtigkeit der offiziellen Version gibt es. So lässt das ZDF einen Flugkapitän zu Wort kommen, der gleichzeitig mit der Boeing 757 in der Luft über Washington war und den Absturz beobachtete, und einen Bauingenieur, der den Fund von Leichen in Flugbegleiteruniform bestätigt.

Bei der Frage, ob der Flug 93 wirklich über Pennsylvania abgestürzt ist, deuten Zeugenaussagen und Hinweise ebenfalls in beide Richtungen. Stichhaltige Beweismittel - Flugzeugteile zum Beispiel - halten die Behörden unter Verschluss.

Informationen werden unter Verschluss gehalten

Und dies ist eigentlich der Hauptvorwurf, den man der US-Regierung machen kann. Die Idee, dass 9/11 eine Aktion von Regierung und Geheimdiensten war, lässt sich getrost ins Reich der Phantasie verweisen. Zum Beispiel erscheint die Behauptung, dass das nahe dem World Trade Center gelegene Gebäude Sieben gesprengt wurde, weil es die geheime Kommandozentrale für die Attacken war, doch etwas weit hergeholt.

Plausibler scheint die Erklärung von Vincent Dunn, dem ehemaligen Feuerwehrchef Manhattans. Laut Dunn waren umher fliegende Trümmer und Feuer dafür verantwortlich, dass das Gebäude wenige Stunden nach den Zwillingstürmen einstürzte.

Dennoch: Es gibt eine Menge Informationen, die die amerikanischen Behörden der Öffentlichkeit bisher vorenthalten. Im Fall der Flüge nach Washington und Pennsylvania lässt sich über deren Beweggründe nur spekulieren.

Warum gemauert wird und wurde, glauben die Autoren der Dokumentation herausgefunden zu haben. Nur eine Stunde und 42 Minuten dauerte es, bis der Nordturm des World Trade Center einbrach, nur halb solange hielt der Südturm durch.

Fehlender und fehlerhafter Brandschutz war Experten wie Gutachter Roger Morse zufolge die Ursache für den schnellen Zusammenbruch. Tausende Menschen hätten gerettet werden können, wenn die seit den 90er Jahren bekannten Missstände rechtzeitig beseitigt worden wären. Doch die New Yorker Hafenbehörde - Besitzer und Betreiber des World Trade Center - hatte dies nicht getan.

Das ist ein harter Vorwurf, den die Dokumentation, untermauert mit Aussagen von mehreren Experten, hier erhebt. Dem Zuschauer allerdings, der durch Trailer und Vorspann auf die größte Verschwörungstheorie unserer Zeit eingestellt war, fällt diese Ungeheuerlichkeit kaum auf.

Eine solche Konspiration der US-Regierung weist "Mythos und Wahrheit" nicht nach. Aber die Verschleierung von Schlamperei und das Zurückhalten von Beweisen werden Regierungsgegnern weiter Nahrung für Spekulationen geben.

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