Jugendliteratur:Auf eigene Faust

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(Foto: N/A)

Die samische Schriftstellerin Katherine Nedrejord erzählt von zwei Mädchen, die straucheln - aber für ihre Zukunft kämpfen

Von Susan Vahabzadeh

Die Welt ist nicht an allen Stellen gleich. Einmal, als Lajla ihre beste Freundin Sara von weitem in einer alten, viel zu großen Jacke sieht, denkt sie bei sich, dass sie darin aussieht wie eine Obdachlose, es aber hier gar keine Obdachlosen gibt - Kathrine Nedrejords Roman "Was Sara verbirgt" spielt ganz oben in Norwegen, an der Grenze zu Finnland, und da sind Obdachlose tatsächlich seltener als im restlichen Europa. Andere Dinge sind in Norwegen ganz genauso wie anderswo. Mädchen mögen Fußball spielen und nie um eine Antwort verlegen sein, aber nachts auf einsamen Landstraßen herumzulaufen ist für sie einfach gefährlicher als für Jungs.

Lajla und Sara sind Teenager, sie waren unzertrennlich, aber jetzt ist Sara mit einem Jungen zusammen. Macht eigentlich nichts, denn Lajla hat eine andere Leidenschaft - sie spielt Fußball, und zwar so gut, dass der Trainer der Jugend-Nationalmannschaft sie im Auge hat, was ihr Vater mit beleidigender Ungläubigkeit kommentiert.

Es entspinnt sich nun ein Kleinstadtkrimi und Lejla findet eine Spur

Aber eines nachts, es ist Samstag, klettert Sara durch Lajlas Fenster, und jetzt braucht die Freundin dringend ihre Hilfe. Sie hat sichtbare Verletzungen am Hals und ist ganz verstört - aber sie rückt nicht damit raus, was passiert ist. Lajla ermittelt also auf eigene Faust: Sie stellt Fragen im Ort, verhört Saras Freund und immer wieder drängt sie Sara selbst, ihr zu erzählen, was passiert ist. Aber die sagt es ihr nicht - allerdings rückt sie damit heraus, dass sie Angst hat, schwanger zu sein. Dass Sara vergewaltigt wurde, ist Lajla schon klar, bevor Sara es sich selbst eingestehen will.

Sara und Lajla sind Sami, sie stammen von den Ureinwohnern des nördlichen Skandinavien ab, Norwegisch ist für sie Zweitsprache. Was allerdings für die Geschichte keine große Rolle spielt - Kathrine Nedrejord ist einfach selbst eine samische Schriftstellerin, und man glaubt ihr, dass sie so eine kleine Stadt kennt, wie sie sie beschreibt, und vor allem die Mädchen, die dort wohnen. Nichts in ihrer Geschichte wirkt erfunden oder reißerisch. Es gibt Reibereien und Eifersüchteleien in der Schule, da ist eine Mitschülerin, mit dem Lajla immer wieder Krach hat, und ein Junge, der nicht mal selbst so genau weiß, ob er Lajla ärgern will oder anhimmeln. "Was Sara verbirgt" hat einen schönen, unaufgeregten Tonfall. Was Sara widerfahren ist, ist schlimm genug, auch ohne dramatische Überspitzung.

Es entspinnt sich nun ein Kleinstadtkrimi, und Lajla findet schließlich eine Spur. Es hat eine Party gegeben an diesem Samstagabend, es gibt Fotos auf Instagram - jetzt hat sie Verdächtige und Zeugen, denen sie ein Loch in den Bauch fragen kann. Und so kriegt sie langsam heraus, wer von Sara verlangt, dass sie den Mund hält.

Kathrine Nedrejords Heldinnen straucheln - sie machen Fehler, haben Geheimnisse, versuchen, sich auf eigene Faust durchzuschlagen und einsame Entscheidungen zu fällen. Ganz subtil schubst die Autorin sie auf ihren Weg zurück, bis sie wieder an die Erwachsenen glauben und an Recht und eine Zukunft. So einfühlsam Kathrine Nedrejord das Verhältnis unter den Mädchen beschreibt, über eins kann man dann doch streiten: über die Endgültigkeit, mit der sie Sara abspricht, je wieder sie selbst sein zu können. Ein bisschen mehr Aussicht auf Heilung hätte die Figur verdient; gerade, weil sich "Was Sara verbirgt" so liest wie ein sanfter Reiseführer durchs Leben.

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