Ein leerer Saal in Grosny. Nacheinander treten alte Menschen ein und setzen sich auf einen der in Reihen aufgestellten Stühle. Sie tragen traditionelle tschetschenische Kleidung, die meisten gehen am Stock, der jüngste von ihnen ist 72, einige sind über 100. Am Ende sitzen 119 Frauen und Männer da und blicken in Richtung der Kamera, ohne den Betrachter je direkt anzusehen. Sie alle eint, dass sie Zeitzeugen sind. Überlebende: 1944 hatte Stalin die Deportation aller Tschetschenen befohlen. 400 000 Menschen wurden in Viehwaggons getrieben und nach Sibirien oder in die Steppe von Kasachstan verschleppt. Erst 1957, vier Jahre nach Stalins Tod, durften diejenigen, die die Deportationen und die Jahre in Arbeitslagern oder unter freiem Himmel überlebt hatten, zurückkehren in ihre Heimat. Das Europaparlament hat das Ganze 2004 als "Genozid" bezeichnet.
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Von Alex Rühle
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