Varieté:Schöne neue Maschinenwelt

Das neue Programm im Gop-Varieté punktet mit Männerstriptease und der Frage "Ganz oder gar nicht?". Dabei erweisen sich die Akteure als Multitalente - sie sind zugleich Akrobaten, Clowns und Musiker

Von Barbara Hordych

Die Szenerie auf der Bühne des Gop-Theaters nimmt sich ähnlich karg aus wie der Anblick der nordenglischen Industriestadt Sheffield in Peter Cattaneos Filmkomödie "The Full Monty": Die Stahlwerke rosten, die Industrie ist größtenteils stillgelegt, und die Züge ruhen. Im Gop-Varietétheater dominiert indes ein Stahlgerüst den Bühnenhintergrund, die surreal anmutende Welt ist ein Trümmerfeld, die scheinbar beliebig auf dem Boden verstreuten Requisiten wirken wie ein Ersatzteillager. Kein Zweifel: Untergangsstimmung herrscht hier wie dort. Aber wundersamerweise entzünden sich an eben dieser Tristesse Szenen von hinreißender Komik - insbesondere dann, wenn sich beim Männerstriptease die Frage stellt: "Ganz oder gar nicht"? So wie in der britischen Filmkomödie letztendlich alle Hüllen fallen, lassen auch die vier Herren in der aktuellen Gop-Produktion "Machine de cirque" am Schluss ihre schiefergrauen Badehandtücher von schicklicher Hüfthöhe auf den Boden hinabgleiten. Was im Falle der vier artistischen Multitalente freilich nicht bedeutet, dass sie ihre Blöße nicht doch äußerst geschickt zu bedecken wüssten. Eine grandios charmante Nummer, die das Publikum mit entsprechender Begeisterung quittiert.

Neun junge Kanadier und ein Franzose machen im aktuellen Programm das Gerüst ganz nach Bedarf zum Turngerät oder zur Zuschauertribüne, von der aus sie das tolle Treiben ihrer jeweils aktiven Kollegen beobachten: Da rollen Fahrräder, meterhohe Einräder oder ein Rhönrad, und ehe man sich's versieht, werden die senkrechten Stangen des Gerüsts von den Akrobaten Mik & Maude kurzerhand zu Chinesischen Masten umfunktioniert. Einer der Höhepunkte ist sicherlich das "Duo Baskultoo", das vom Schleuderbrett aus durch luftige Höhen fliegt. Die Mischung aus meterhohen Sprüngen, absoluter Synchronität und clownesken Elementen ist herausragend - nicht von ungefähr haben Maxim Laurin und Ugo Dario bei den wichtigsten Wettbewerben der jungen Artistik-Szene - dem "Cirque du Demain" in Paris und dem Youngstage Festival in der Schweiz - jeweils die Goldmedaille gewonnen.

GOP Machine de Cirque

Begleitet von Gitarrenklängen setzt das "Duo Baskultoo" auf dem Schleuderbrett zu meterhohen Sprüngen an.

(Foto: Alexander Darcos)

Regisseur der Show ist Vincent Dubé, der in einer kanadischen Zirkusfamilie aufwuchs und dessen jüngerer Bruder Raphaël als akrobatischer Comedian ebenfalls in der Show mitwirkt. Die Uraufführung ist eine Koproduktion mit dem Gop, dessen künstlerischer Leiter Werner Buss sich schon jetzt sicher ist, dass die Show nicht nur in den sieben Gop-Häusern, sondern auch auf internationaler Ebene reüssieren wird. Das Münchner Publikum erlebt derzeit jedenfalls eine der aufwendigsten Gop-Produktionen überhaupt, mit einem Bühnenbild, dessen Gesamtgewicht von mehr als zwei Tonnen in 19 Kisten transportiert werden muss.

Dass "Machine de Cirque" nicht im Stammhaus in Hannover, sondern in München startet, ist durchaus sinnfällig, entstand die Idee zu dieser Show doch in einem Café am Münchner St.-Anna-Platz. "Dort erzählte mir Vince von seiner Idee, eine eigene Kompanie zu gründen", erinnert sich Buss. Der Kreativdirektor hatte Vertrauen in das Konzept und sicherte seine Unterstützung zu. "Als ich mir dann in Montreal anschaute, wen Vince sich in sein Ensemble geholt hatte, war ich begeistert von diesen Multitalenten; fast jeder von ihnen kann fast alles, sie sind Akrobaten, Clowns und Musiker". Auf die Bühne bringen sie eine moderne Varieté-Show, in der die Musik, oder genauer gesagt der Rhythmus, tonangebend sind: So verlässt der Musiker Olivier Forest immer wieder sein Schlagzeug, um furios mit allem, was Geräusche macht, auf Kisten, Tonnen, Gerüst oder notfalls auch den eigenen Brustkorb zu klopfen. Nur gut, dass es neben dem lautstarken Getrommel auch leise und poetische Momente in dieser zirzensischen Maschinenwelt gibt: Etwa wenn die zopfig-biedere Geneviève Kérouac mit Nerdbrille und strengem Dutt innig mit einem auf einem Bügel hängenden Sakko tanzt und dabei ganz vergessen lässt, dass darin gar kein Mann steckt.

Machine de Cirque, Gop-Varieté-Theater, Maximilianstr. 47, bis 13. März

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