Van Gogh-Fälschungen:Echt oder falsch?

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Die Sammlung Bührle in Zürich erzählt die Geschichte ihrer Kollektion von Van-Gogh-Selbstporträts, die nicht nur Selbstportraits aufweist.

STEFAN KOLDEHOFF

Wäre das smaragdgrün leuchtende Gemälde echt, das von der kommenden Woche an nach langer Zeit wieder im ersten Stock der Stiftung Bührle in Zürich hängt, es würde bei jeder Auktion einen Rekordpreis jenseits der 100 Millionen Dollar garantieren: Das Selbstportrait, das Vincent van Gogh im Sommer 1888 für seinen Freund Paul Gauguin malte, gilt als unbezahlbare Ikone der Klassischen Moderne. Das Original im Kunstmuseum der Harvard University jedenfalls.

Das echte Selbstbildnis Vincent van Goghs aus dem Jahre 1887 (links) und die Van-Gogh-Kopie der Hobbymalerin Judith Gérard, die später zusätzlich noch mit Blumen im Hintergrund versehen wurde (rechts). (Foto: Foto: Bührle)

Würde die Bührle-Familie, in deren Privatbesitz sich die 61 mal 50 Zentimeter große Zweitfassung des Selbstporträts befindet, ihr Bild zu Christie's oder Sotheby's tragen, wäre nur bedauerndes Kopfschütteln die Folge: Seit mehr als fünfzig Jahren steht fest, dass es sich bei der Bührle-Fassung des berühmten Selbstporträts um eine Kopie handelt, die Bührle später als Fälschung verkauft wurde. Eine spannende Ausstellung in der Bührle-Stiftung erzählt nun zum ersten Mal in ungewöhnlicher Offenheit die Geschichte dieses Gemäldes.

Begleitet wird das Ganze von einem ausführlich bebilderten Katalogheft mit einem Text, in dem Lukas Gloor, der seit einigen Jahren als Kurator sehr erfolgreich um die wissenschaftliche Aufarbeitung der Bührle-Sammlung bemüht ist, die Geschichte des falschen Bildnisses erzählt. In einem zweiten, leider etwas selbstverliebten Aufsatz, ordnet der Kunsthistoriker Roland Dorn, einer der weltweit führenden Van-Gogh-Kenner, das zweite, authentische Van-Gogh-Selbstbildnis der Bührle-Sammlung in den Werkkontext ein.

Anfangs schien eigentlich alles klar: Der Hammer war gefallen, der Zuschlag erteilt. Für 165000 Franken hatte der Zürcher Industrielle und Kunstsammler Emil Georg Bührle im Luzerner Kunsthaus Fischer das Selbstbildnis ersteigert. Mit einem Schätzpreis von 250000 Franken war es der Höhepunkt jener Auktion, bei der die nationalsozialistische deutsche Regierung am 30. Juni 1939 125 Kunstwerke zu Geld machen wollte, die sie zuvor aus den verschiedensten Museen des Landes beschlagnahmt hatte. Eine Reihe von Sammlern, darunter der Winterthurer Oskar Reinhart, boykottierten die Versteigerung, weil sie mit dem NS-Regime keine Geschäfte machen wollten. Emil Bührle dachte vielleicht wie der Basler Museumsdirektor Georg Schmidt, dass er Bilder vor der Zerstörung retten könne, indem er sie kaufte.

Mit dem Van Gogh allerdings, der zuvor in der Münchner Staatsgalerie für Moderne Kunst gehangen hatte, gelang ihm das nicht, wie jetzt die hochexquisite Ausstellung in der Stiftung Bührle dokumentiert. Kaum hatte Bührle den Zuschlag, stand der Kunsthändler Alfred Frankfurter auf und protestierte lautstark: Sein eigenes Gebot sei übersehen worden. Die Auktion wurde fortgesetzt, Bührle stieg erstaunlicherweise aus, und Frankfurter sicherte das Bild für 175000 Franken für seinen Auftraggeber, den amerikanischen Sammler Maurice C. Wertheim.

Um so glücklicher war Bührle, als ihm neun Jahre später zum Kauf angeboten wurde, was er selbst für eine Zweitfassung des Selbstbildnisses hielt. Verkäuferin war die nach Österreich emigrierte Witwe des angesehenen Berliner VanGogh-Sammlers Paul von Mendelssohn-Bartholdy, dem unter anderem auch eine Fassung der "Sonnenblumen" gehört hatte.

Bührle sah sich das Bild an und griff kurzentschlossen zu. Zu spät erst erfuhr er, dass bereits 1931 die junge französische Hobbymalerin Judith Gérard enthüllt hatte, dass die Van-Gogh-Kopie von ihrer Hand stamme. Gauguin hatte das ihm geschenkte Van-Gogh-Selbstbildnis 1895 bei seinem zweiten und letzten Aufbruch in die Südsee, bei Gérards Stiefvater, dem Komponisten William Molard, untergestellt.

Vielleicht weil die junge Judith ahnte, dass der chronisch geldknappe Gauguin das Bild über kurz oder lang würde verkaufen müssen, fertigte sie um 1897/98 eine Zweitfassung an - und signierte ihr Bild auch aufrichtig mit "d'après Vincent - Judith". Entsprechend entrüstet war die Französin, als sie ihre Kopie um 1910 bei einer VanGogh-Ausstellung als Original wiederfand - ohne ihre eigene Signatur, dafür mit Blumen im Hintergrund. Jüngste materialtechnische Untersuchungen haben auch die Richtigkeit ihrer Behauptung belegt, die später übermalte Einfassung des Malerkittels sei ursprünglich blau gewesen.

Emil Georg Bührle scheint diese Geschichte bis 1948 nicht gekannt zu haben. Die 1939 erschienene Neuauflage des Van-Gogh-Werkverzeichnisses, die die Gérard-Geschichte wenigstens zitierte, war ihm während des Krieges offenbar nicht zugänglich. Als der Sammler dann allerdings 1952 vom Fälschungsverdacht erfuhr, versuchte er gerichtlich, den Kauf wieder rückgängig zu machen. Seine Klage scheiterte: Einem Sammler wie Bührle, so argumentierte das Gericht, hätte die Publikation von 1939 bekannt sein können und müssen - trotz des Krieges.

"Van Gogh echt falsch - zwei Selbstbildnisse der Sammlung Emil Bührle". Sammlung E. G. Bührle, Zollikerstraße172, Zürich. Bis 27. Februar 2006. Tel.: 004144/4220086. Katalog: 15Franken. Info: www.buehrle.ch

© SZ v. 11.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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