US-Wahl:Oh mein Gott. Es ist passiert.

Donald Trump

Donald Trump hat die US-Wahl gewonnen.

(Foto: REUTERS)

Donald Trump ist Präsident. Der Mann, an dem sich die Satiriker-Elite abgearbeitet hat, der zu lächerlich schien, um ihn ernst zu nehmen. Unsere Autorin über das Aufwachen in einer neuen, beängstigenden Realität.

Von Johanna Bruckner

Der Humor ist tot an diesem Morgen. Gestern Abend habe ich noch meine Stimme bei Facebook abgegeben, als Akt quasi-politischer Willensbildung. Daumen hoch für eine schlichte weiße Karte mit schwarzer Schrift: "Liebe Amerikaner. Macht nur, wählt den Typen mit der lauten Stimme, der Minderheiten hasst, der damit droht, seine Gegner ins Gefängnis zu werfen, der einen Scheiß gibt auf die Demokratie und der behauptet, er alleine könne alles richten. Was kann schon passieren? Viel Glück. Das deutsche Volk". Das Ganze natürlich auf Englisch, ist ja schließlich an Amerikaner gerichtet, also an die dummen Amerikaner, die uns überhaupt erst in die Lage gebracht haben, dass es diese Warnung braucht.

Am Morgen wache ich auf und der Republikaner Donald Trump liegt nahezu uneinholbar vorne gegen die Demokratin Hillary Clinton. Trump ist der nächste amerikanische Präsident. Trump wird einer der mächtigsten Menschen der Welt sein. Auf Facebook grinst mir Ex-Präsident George W. Bush entgegen: "Viel Glück, Amerika. ... und ihr dachtet, ich wäre ein Idiot".

Lachen kann ich darüber nicht mehr. Ja, ich erinnere mich an die Fassungslosigkeit aus dem November 2000, als George W. Bush zum ersten Mal gewählt wurde und ausländische Intellektuelle und Expatriates in Amerika ankündigten, unter diesen Umständen doch lieber in ihre Heimat zurückzukehren. Die Fassungslosigkeit potenzierte sich 2004, als nach 9/11 ausgerechnet der Kriegstreiber zum zweiten Mal ins Amt kam. Habe ich heute Morgen das gleiche Gefühl? Ist es schlimmer, bedrohlicher? Bush kam aus einer politischen Familie, kannte, so konnte man sich damals trösten, zumindest die grundlegenden Bewegungsregeln auf dem diplomatischen Parkett. Aber Trump, der selbsternannte Selfmade-Alleskönner?

"Wir werden wieder Kriege haben" - Glaube ich das auch?

Eine Freundin, die an der US-Ostküste lebt, schreibt mir: "Hab' vorhin schon geweint. Wir werden wieder Kriege haben ... Die Welt wird sich noch umschauen." Befürchte ich das auch, zumindest insgeheim?

Der Humor ist tot an diesem Morgen. Damit versagt mein wichtigster coping mechanism. Im Studium habe ich gelernt, dass Kontrolle eine der wichtigsten menschlichen Triebfedern ist. Der Mensch möchte Dinge vorhersehen können, möchte wissen, was auf ihn zukommt, möchte sich möglichst alles erklären können - das gibt ihm ein Gefühl der Sicherheit, ein Gefühl der Kontrolle. Das bedeutet auch: Unwägbarkeiten machen ihm Angst, Inkonsistenzen verunsichern ihn. Wie kann es sein, dass Trump politisch so weit gekommen ist, obwohl er doch offensichtlich ganz und gar ungeeignet ist?

Bisher konnte man sich zumindest noch in den Galgenhumor flüchten. Nicht umsonst heißt es, Humor mache das Leben erträglicher. Das stimmt insofern, als dass Humor ein Weg ist, das persönliche und ganz generelle Weltgeschehen zu betrachten. Über etwas zu lachen - und sei es auch nur über sich selbst - schafft eine wohltuende Distanz. Was nicht mehr ganz so nah an mir dran ist, tut mir nicht so weh. Vielleicht wurde Humor nie so inflationär als Bewältigungsstrategie eingesetzt wie zurzeit. Wobei das schon die erste problematische Verallgemeinerung ist, denn Humor ist keine demokratische Bewältigungsstrategie, sondern eine ziemlich elitäre.

Wie heißt es gerne? Ironie ist der Humor der intelligenten Menschen. Besonders häufig macht sich der bildungsbürgerlich aufgeklärte Mensch über Dinge lustig, die er nicht durchdringt, denen er sich hilflos ausgesetzt fühlt, die er eben nicht klar kriegt. Das widerspricht fundamental seinem Selbstverständnis.

Satire wird problematisch, wenn sie bloßes Mittel der Selbstvergewisserung ist

Humor ist da der Konsistenzkitt, er bringt den selbstauferlegten Anspruch des aufgeklärten Bürgers mit seinem gefühlten (oder tatsächlichen) Handlungsspielraum in Einklang. Es ist vergleichsweise leicht, nach einer Ausgabe Die Anstalt zum Thema Flüchtlingskrise mit einem wohligen Gefühl ins Bett zu gehen. Wurde der komplexe Gegenstand gut recherchiert? Scharf analysiert? Bekömmlich präsentiert? Check, check, check. Noch einmal über das Gesehene schlafen, am nächsten Morgen mit den Kollegen die besten Szenen und treffendsten Pointen nachbesprochen, politische Schuldigkeit getan, nächstes Thema.

Anderes Beispiel: In diesem Jahr wurde mehr in Deutschland über einen Satiriker diskutiert, der einen Despoten beleidigt hatte oder auch nicht, als über den Despoten, der mit hässlicher Regelmäßigkeit (Menschen-) Rechtskonventionen für null und nichtig erklärt.

Nicht falsch verstehen. Selbstverständlich ist es richtig und wichtig, dass es politische Satire gibt und dass sie geschützt ist. Aber Satire wird dann problematisch, wenn sie bloßes Mittel der Selbstvergewisserung ist. Humoristische Überhöhung ist gefährlich, wenn sie Dinge tatsächlich vereinfacht. Am Ende jedes Anti-Trump-Videos von Jon Stewart, John Oliver oder Stephen Colbert stand die beruhigende Botschaft: Ich stehe auf der richtigen Seite, auf der Seite der Wahrheit. An diesem Morgen muss ich erkennen, dass es zwischen Wahrheit und Nicht-Wahrhaben-Wollen ein schmaler und gefährlicher Grat ist.

Abgehängt, desillusioniert, wütend - ich habe diese Warnzeichen ignoriert

Ich bin abgestürzt auf den Boden der Tatsachen. Und auf diesem Boden leben Menschen, deren Beweggründe für ihr Trump-Votum ich zumindest hätte anerkennen müssen, anstatt sie pauschal als nicht gerechtfertigt abzuwehren. Was beschwert sich der weiße Farmer aus dem mittleren Westen, dem geht es doch gut im Vergleich zu vielen Latinos oder Schwarzen in den USA! Das mag inhaltlich stimmen, aber die moralische Arroganz hinter diesem Denken ist fatal. Viele Menschen, die nun Trump gewählt haben, wollten weder Trump noch Clinton - sie wollten eine Veränderung, mit allen Mitteln. Wohin dieser unbedingte und gerade nicht vorausschauende Protest- und Veränderungswille führen kann, das zeigt das Brexit-Votum, das zeigen die jüngsten Landtagswahlen, bei denen die AfD für schockstarre Gesichter in den TV-Studios und Wohnzimmern sorgte.

An diesem Mittwochmorgen im November heißt das politische Schreckgespenst Donald Trump, und es ist umso angsteinflößender, weil es real geworden ist. Zum Leben erweckt von Menschen, die politische Beobachter mit Adjektiven beschrieben haben, die jeden Psychologen alarmieren würden: abgehängt, desillusioniert, wütend. Doch ich habe diese Warnzeichen nicht ernstgenommen, habe ihnen das Zuhören verweigert. Ich habe mich bis zuletzt darauf verlassen, dass es reicht, Donald Trump immer wieder in seiner ganzen lächerlichen Hybris vorzuführen. Vorführen zu lassen, am liebsten von klugen Satirikern, die Trumps Lügen Fakten entgegengesetzt und den ganzen Wahlkampfwahnsinn humoristisch überhöht haben.

Doch Trumps Wähler haben Humor vielleicht nie gelernt, ganz sicher aber ist diese Wahl für sie - und uns - kein Spaß. Der Humor ist tot an diesem Morgen. Es braucht eine neue Bewältigungsstrategie.

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