US-Politik:Trumps Rhetorik wendet sich jetzt gegen ihn

Das Urteil des hawaiianischen Richters gegen den US-Einreisebann zeigt, dass Worte längst nicht konsequenzlos geworden sind. So gern Donald Trump das auch hätte.

Analyse von Kathleen Hildebrand

Von all den Gründen, die Donald Trumps Wahlsieg möglich gemacht haben, war einer der wichtigsten von Anfang an seine Sprache, seine ungehemmte Rhetorik. Er hat sie gegen seine politischen Gegner gerichtet und gegen gesellschaftliche Gruppen - zuallererst gegen Muslime. Wann immer seine Kritiker verlangten, dass er seine Worte mäßigen möge, hielt er ihnen entgegen, dass gerade seine Maßlosigkeit ihm Wähler zutreibe. Erst vor Kurzem sagte Trump, dass seine Rhetorik gegen Muslime ihm "standing ovations" beschere.

Mit dem jüngsten Urteil gegen den Einreisebann der Trump-Regierung zeigt sich: Trumps Worte, über die seine Mitarbeiter immer wieder sagen, man solle sie nicht wörtlich nehmen, werden wörtlich genommen. Nämlich von der Justiz. Und sie richten sich damit gegen Trump selbst.

Denn in der Begründung des Urteils von Bundesrichter Derrick Watson vom Mittwoch geht es um mehr als den reinen Text des überarbeiteten Erlasses. Sie bezieht explizit all das mit ein, was Trump über Muslime, den Islam und seine Absicht gesagt hat, Muslimen in Zukunft die Einreise in die USA zu verweigern. Das Urteil nimmt Trumps aufwieglerische Sprache ernst. Und es zieht ihn zur Rechenschaft für das, was er sagt.

Das Urteil von Bundesrichter Watson aus Honolulu, mit dem auch der zweite Einreisebann von Trumps Regierung vorerst gestoppt wurde, ähnelt argumentativ dem des Washingtoner Richters James Robart vor einem Monat, das die erste Version des Banns aufgehalten hatte. Beide Richter sehen darin eine Verletzung der amerikanischen Verfassung, die Diskriminierung aufgrund von Religionszugehörigkeit verbietet.

Trumps Erlass verbietet Bürgern aus den Staaten Iran, Syrien, Libyen, Sudan, Jemen und Somalia für 90 Tage die Einreise in die USA. Dass es der Regierung dabei explizit um Muslime geht, steht nicht in dem Text. Die Sache ist nur: Alle diese sechs Staaten sind mehrheitlich muslimisch geprägt.

Dass genau dies eben kein Zufall ist, schließt Richter Watson aus Aussagen, die Donald Trump im Wahlkampf gemacht hat, und solchen, die aus seinem Umfeld stammen. Damit weigert sich der Richter, Trumps Worte als rein emotionale Strategie zu verharmlosen, als übertriebene Worte eines Wahlkämpfers, der jetzt, im Amt, gemäßigter agieren wird.

Watson weist in seiner Urteilsbegründung zum Beispiel explizit auf eine Presseerklärung des damaligen Präsidentschaftskandidaten Trump aus dem Dezember 2015 hin, in der steht: "Donald J. Trump is calling for a total and complete shutdown of Muslims entering the United States." - Trump fordere das Ende der Einreise von Muslimen in die Vereinigten Staaten - von Muslimen, nicht Bürgern sechs ausgewählter Staaten. Watson zitiert in seinem Urteil auch eine Aussage Trumps aus einem CNN-Interview aus dem März 2016: "Ich denke, der Islam hasst uns."

"Deutliche Beweise für Feindseligkeit gegen eine Religion"

Der Richter bezog auch Kommentare von engen Mitarbeitern des Präsidenten seit der Wahl in sein Urteil mit ein. Rudy Giuliani, der frühere Bürgermeister von New York City, hatte in einer Fernsehsendung gesagt: "Als [Mr. Trump] zum ersten Mal davon gesprochen hat, sagte er 'Einreiseverbot für Muslime'. Er rief mich dann an und sagte: Stell' eine Kommission zusammen, sag' mir, wie man das legal machen kann."

Diese Äußerungen, schreibt der Richter, seien "deutliche Beweise für Feindseligkeit gegen eine Religion".

Das Urteil zeigt, dass Trump sich nicht immer aus seiner populistischen Rhetorik und aus seinen unkontrollierten Twitter-Wutanfällen wird herauswinden können. Ein schlichtes "war nicht so gemeint" wird nicht mehr automatisch reichen. Dass die US-Regierung das immer wieder versucht, konnte man erst diese Woche wieder sehen. Trumps Sprecher Sean Spicer versuchte in einer Pressekonferenz ein paar wütende - und bis heute unbelegte - Tweets des Präsidenten zu verharmlosen. Trump hatte darin Barack Obama vorgeworfen, er habe während des Wahlkampfs sein Telefon abgehört.

Der Rechtsstreit um den Einreisebann, der nun folgen wird, könnte bis vor das Oberste Gericht der USA gehen. Ob er doch noch eingesetzt werden wird, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sagen. Watsons Urteil aber zeigt, dass es starke unabhängige Institutionen gibt, die nicht zulassen, dass Sprache entwertet wird. Und die dafür eintreten, dass Worte nicht folgenlos bleiben.

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