Süddeutsche Zeitung

US-Kulturpolitik:Wie Trump mit Kulturkürzungen Politik macht

Der US-Präsident will angeblich das National Endowment for the Arts abschaffen. Viel Geld könnte Trump so nicht sparen, doch die symbolische Bedeutung wäre enorm.

Von Peter Richter

Was Donald Trumps Präsidentschaft bisher von einem Unwetter unterscheidet, ist im Wesentlichen die Reihenfolge: Bei ihm kommt erst das Donnergrollen, dann schlägt der Blitz ein, dies allerdings zuverlässig und wie vorhergesagt. Jetzt trifft es das National Endowment for the Arts, kurz NEA, den nationalen amerikanischen Kulturfonds, eine Bundesagentur, die Mittel an Kulturinstitutionen vergibt. Überrascht sein kann davon nur, wer sich an die Gerüchte geklammert hat, das NEA werde der Leitung von Sylvester Stallone unterstellt, dem "Rambo"-Darsteller, so als sei das schon das Gravierendste, das droht. (Stallone, dem der Posten im Dezember angeblich angetragen wurde, wollte jedoch nicht.)

Das Budget Office des Weißen Hauses hat jetzt Quellen der New York Times zufolge eine Liste mit Posten zusammengestellt, bei denen gestrichen werden könnte, und auf dieser Liste stehen das NEA und ihre Schwesterstiftung für die Geisteswissenschaften, das National Endowment for the Humanities. Wer in den vergangenen Wochen mit Insidern des amerikanischen Kulturbetriebs über diese Aussichten sprach, bekam es mit Seufzen oder Schulterzucken zu tun, oft mit beidem auf einmal: Irgendwo werde Trump den Rotstift schließlich ansetzen müssen, nachdem er im Wahlkampf versprochen hat, die öffentlichen Ausgaben zu kürzen, gleichzeitig aber mehr ins Militär stecken will.

Das NEA galt unter diesen Umständen gewissermaßen als natürliche Beute und dankbares Opfer. Dabei wären die Einsparungen vergleichsweise lächerlich. Es geht um etwa 148 Millionen Dollar - bei einem geplanten Haushalt von 4 Billionen. Kritiker rechnen dem Präsidenten auf Twitter seitdem vor, was die Steuerzahler alles ähnlich viel kosten dürfte, zum Beispiel Trumps regelmäßige Hofsitzverlagerungen in sein Golf-Resort in Florida oder der Schutz des New Yorker Trump Towers.

Das Kapital, das auf dem Spiel steht, ist schon rein zahlenmäßig allenfalls symbolisch. Symbolisches Kapital ist es aber auch im Bourdieu'schen Sinne; es berührt Statusfragen. Ein ehemaliger Direktor verschiedener amerikanischer Museen hat es so zusammengefasst: Mit den Zuwendungen von dem NEA allein habe er niemals auch nur eine größere Ausstellung finanzieren können; aber wenn die NEA im Boot war, habe das geholfen, andere Töpfe zu öffnen. Anders als in Europa mit seiner Tradition der staatlichen Kulturfürsorge ruht in den USA auch die Hochkultur auf dem Fundament privaten Mäzenatentums.

Die Konservativen stören sich schon seit den "culture wars" der Achtzigerjahre am NEA

Während es europäische Museumsdirektoren oft als Zumutung empfinden, sich ihre Finanzmittel bei wohlhabenden Gönnern zusammenzubetteln, sind ihre amerikanischen Kollegen geübte Profis gerade auf diesem Gebiet. Das Engagement einer Bundesbehörde, in der Fachgremien über die Bezuschussung befinden, hat unter diesen Umständen sowohl etwas Fremdartiges wie etwas Adelndes.

Wenn Donald Trump, dem die Künste, soweit man weiß, vollkommen gleichgültig sind, abgesehen vielleicht von ihrem Potenzial, "Celebrities" hervorzubringen, jetzt also die Axt an das National Endowment for the Arts legt, dann geht es nicht zuletzt um das symbolische Kapital, das er sich dabei bei denen erwirbt, die sich immer schon daran gestört haben: Amerikas Konservativen.

Das NEA bezuschusst bei Weitem nicht nur Institutionen der bildenden Kunst; der Verlust wird überall sonst sogar spürbarer sein, bei kleinen Festivals, bei Projekten zur musikalischen Kinderbetreuung und auf dem Feld der soziokulturellen Projektemacherei. Aber zum Gegenstand der "culture wars" zwischen Amerikas Konservativen und Liberalen wurde das NEA vor allem auf dem Gebiet der bildenden Kunst.

Das heißt nicht, dass viele Republikaner nicht auch die Kürzungen auf allen anderen Gebieten eher begrüßen werden, zu sehr ist das NEA ganz einfach ein Kind der progressivistischen Sechziger, erdacht unter Kennedy, eingerichtet unter Johnson, um den amerikanischen Künsten Auftrieb zu geben, wo der Markt alleine nicht hinreicht. Präsidenten wie Nixon oder Reagan blieb nur, das Programm durch Personalpolitik zu beeinflussen oder - so unter Reagan - um die Förderung von Cowboy-Musik zu erweitern.

Berühmt geworden sind dann Ende der Achtziger die heftigen Dispute um NEA-finanzierte Ausstellungen unter der Beteiligung von Andres Serrano und Robert Mapplethorpe. Bei Serrano war es das Bild "Piss Christ", das Konservative auf die Barrikaden trieb, bei Mapplethorpe Fotos, die schwulen Sex zeigen. Dagegen war der jahrelange Protest gegen die Finanzierung von Richard Serras "Tilted Arc" vor dem General Services Administration Building in New York geradezu harmlos. (Die Leute, die auf der Freifläche seit jeher ihre Arbeitspausen verbrachten, empfanden das Werk als unschön und störend. Eines Nachts im Frühjahr 1989 wurde es still und leise abgebaut.) Es brauchte schon die künstlerischen Auseinandersetzungen mit Sex und Religion auf dem Höhepunkt der Aids-Epidemie, um die Sache eskalieren zu lassen.

Unter Leitung von John Frohnmayer, einem kunstsammelnden Anwalt, den George Bush Sr. zum Chef des NEA gemacht hatte, gab diese dem Druck konservativer Abgeordneter nach und fügte den Förderstatuten eine Klausel hinzu, die Obszönitäten ausschließen sollte. Man muss der Gerechtigkeit halber allerdings daran erinnern, dass Obszönitäten und Sex damals auch den Liberalen ein großes Thema waren. Es war immerhin Tipper Gore, die Frau des späteren Vizepräsidenten Al Gore, der die Welt die Warnaufkleber auf amerikanischen Pop-Platten verdankt: "Parental Advisory: Explicit Lyrics."

Während das von der Musikindustrie schnell zu einer Art Ehrentitel umgebogen wurde, hatte sich das NEA durch ihre "Obscenity"-Klausel in einen Zweifrontenkrieg hineinmanövriert. Teile des Kunstbetriebs warfen ihm nun fehlende Rückendeckung vor, und die Konservativen blieben trotzdem unversöhnt. Das wurde nicht besser, als in der New Yorker Nonprofit-Galerie Artists Space 1989 jene berühmte Ausstellung zu Aids und der Kunstwelt stattfand, zu der das NEA 10 000 Dollar beigesteuert hatte und in deren Katalog der kurz darauf an Aids verstorbene Künstler David Wojnarowicz erbost darüber fantasierte, den konservativen Senator Jesse Helms aus North Carolina wegen seiner Rolle in den Disputen um Mapplethorpe und Serrano mit Benzin zu übergießen und anzuzünden.

Im früheren NEA-Sitz in Washington hat Trump kürzlich sein neuestes Luxushotel eröffnet

NEA-Chef Frohnmayer zog erst hektisch die Mittel zurück, dann gab er sie wieder frei. Das Lavieren half ihm letztlich wenig. Der konservative Kongress hatte das NEA im Visier, und die Versuche, diesem Kongress entgegenzukommen, führten zur Konfrontation mit denen, für die es da sein wollte. Dass die "culture wars" noch lange nicht entschieden und erledigt waren, hat sich ja spätestens seit der Wahl von Donald Trump gezeigt.

Einige Fronten haben sich nur verschoben. Den Schutz vor der Verletzung eigener Überzeugungen und Empfindungen durch verletzende Äußerungen nehmen jetzt statt der Konservativen eher die Linken für sich in Anspruch, und mit Trump haben die Republikaner einen Präsidenten, dem Obszönitäten nachweislich wenig ausmachen. Aber was seinem Standing bei Amerikas Konservativen dient, kann ihm nur recht sein. Übereinstimmen wird er mit ihnen eher in einem anderen Punkt, der den Rechten das NEA so verdächtig gemacht hat: dass da eine staatliche Behörde ins Kulturgeschehen eingreift.

Der Essayist Lewis Hyde hat einmal die Wurzeln dieser sehr amerikanischen Skepsis bis zu den puritanischen Gründervätern zurückverfolgt, denen die Hochkultur als integraler Bestandteil genau jener aristokratischen Regimes in Europa gelten musste, denen sie entsagt hatten. Wie die Menschheit es habe ertragen können, Steuern zu zahlen, damit die Diana-Tempel, die Pyramiden, der Petersdom, Notre-Dame und St. Paul's gebaut werden konnten, klagte etwa John Adams: "I know not."

Regierungsfinanzierte Kultur hat in Amerika schon vor diesem Hintergrund den Ruch des Elitären, gegen den sich die Rebellion der Trump-Wähler nicht unwesentlich gerichtet hat. Und der Stolz auf eine Kultur, die es ganz aus eigener Kraft am Markt schafft, ist auch vielen Liberalen nicht fremd.

Aber selbst ein so offen an den Künsten nicht interessierter Mensch wie dieser Präsident hat der staatlichen Kulturförderung etwas zu verdanken: Das ehemalige Hauptpostamt von Washington sollte jahrzehntelang als überzuckerte Bausünde abgerissen werden. Anfang der Siebziger wurde es vom National Endowment for the Arts gerettet und war bis vor Kurzem auch sein Sitz. Jetziger Nutzer ist das eben eröffnete Luxushotel Trump International

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SZ vom 20.02.2017/doer
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