US-Komiker Louis C. K.:Wenn der Witz plötzlich ernst wird

FILE PHOTO: Executive producer Louis C.K. participates in a panel for the FX Networks series 'Baskets' during the TCA Cable Winter Press Tour in Pasadena

Fünf Frauen beschuldigen den Komiker Louis C. K. der sexuelle Belästigung, er selbst schweigt derzeit zu den Vorwürfen

(Foto: Kevork Djansezian/REUTERS)

Der US-Komiker Louis C. K. hat die Krise des modernen Mannes hellsichtig analysiert. Mit seinem Eingeständnis, Frauen sexuelle belästigt zu haben, gibt er zu, dabei über sich selbst gesprochen zu haben.

Von Luise Checchin

Paff! Das Geräusch, das Louis C. K. mit seinem Mikrofon produziert, klingt wie eine kleine Explosion. Der Comedian bewegt seine Hand kurz über seinem Schritt hin und her. "Mehr von mir!" ruft er dabei. Männer, so seine These, hätten nur eines im Sinn: die Welt mit ihrem Sperma zu besprühen.

Aus dem Kontext gerissen klingt diese Szene wie ein versauter und ziemlich platter Witz. Tatsächlich ist die Nummer aus C. K.s aktuellem Bühnenprogramm eine kluge Abhandlung darüber, warum Frauen das uneingeschränkte Recht auf Abtreibung haben sollten. Es ist eine durch und durch feministische Nummer und sie passt in das Werk von Louis C.K., dessen Humor zwar politisch unkorrekt, aber auch immer aufklärerisch, liberal und unbequem ist.

Mag sein, dass es auch deshalb so lange gedauert hat, bis die Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen Louis C. K. eine breite Öffentlichkeit erreichten. Gerüchte darüber gab es schon seit Jahren, am Donnerstagabend erschien nun in der New York Times ein Bericht, wonach der Komiker sich fünf Frauen gegenüber unangemessen verhalten haben soll. In mehreren Fällen soll er sich vor den Frauen ausgezogen und sie genötigt haben, ihm beim Masturbieren zuzusehen. Die Vorfälle sollen sich Ende der Neunziger- und Anfang der Nullerjahre ereignet haben.

Die US-Premiere von C.K.'s neuem Film "I Love You, Daddy" am Donnerstag vom zuständigen Filmverleih abgesagt, am Freitag entschied man sich, das Werk überhaupt nicht zu veröffentlichen. Auch der Streaming-Dienst Netflix gab mittlerweile bekannt, von einer geplanten Produktion von Louis C. K.s Stand-Up-Comedy-Programm abzusehen. Der Sender HBO strich den Künstler von der Gästeliste einer demnächst stattfindenden Comedy-Show. Sendungen von C. K., die bis jetzt auf der HBO-Streaming-Plattform zu sehen waren, sollen entfernt werden.

Bis zum Donnerstagabend war C. K. eine zentrale Größe in der US-amerikanischen Comedy-Branche. Wenn in den letzten Jahren etwas wirklich Witziges, Kluges und Innovatives im amerikanischen Fernsehen zu sehen war, konnte man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass C.K. daran beteiligt war. Da wären seine enorm erfolgreichen Stand-Up-Comedy-Programme. Die Tickets dafür verkaufte er selbst auf seiner Website, aus Protest gegen die Machenschaften großer Ticketkonzerne. Da wären die Filme, in denen er mitspielte, etwa Woody Allens "Blue Jasmine" oder David O. Russells "American Hustle". Da wären die Serien, die er produzierte. "Baskets" zum Beispiel, eine schwarzhumorige Geschichte über einen gescheiterten Clown, die er zusammen mit dem Schauspieler Zach Galifianakis entwickelte. Oder "Horace und Pete", eine tragikomische Abhandlung über die verstörte, depressive amerikanische Nation, erzählt anhand einer heruntergekommen New Yorker Kneipe. Neben C.K. spielen darin Stars wie Steve Buscemi oder Edie Falco.

Louis C. K.s Alter Ego ist ein toxischer Mann - und ein Verlierer

Vor allem aber wäre da die Emmy-prämierte Serie "Louie", in der sich alles konzentriert, was C.K.s Werk ausmacht. C.K. ist Autor, Produzent und Hauptdarsteller der Show, die autobiografische Züge trägt. Der Serien-Louie ist Comedian, lebt in New York und teilt sich das Sorgerecht für seine beiden Töchter mit seiner Ex-Frau. Der echte Louis ist Comedian, lebt in New York und teilt sich das Sorgerecht für seine beiden Töchter mit seiner Ex-Frau. "Louie" zeichnet sich aus durch seinen anarchischen Humor. Hier passiert alles und nichts und immer wenn man denkt, man hätte die Serie durchschaut, nimmt sie eine Abzweigung, die man nie vorausgesehen hätte. Poesie und Banalität halten sich dabei in einer feinen Balance. Mal entschwindet Louies Date in einem aus dem Nichts erschienen Helikopter, weil sie den stammelnden, flirtunfähigen Typen nicht mehr ertragen kann. Mal rennt Louie mit seinen Töchtern durch New York, verzweifelt auf der Suche nach einer Toilette, nur um sich dann auf offener Straße in die Hose zu machen.

Die Serie ist ungemein witzig, sie ist aber mindestens genauso verstörend und deprimierend. Das liegt einmal daran, dass die Kamera immer ein bisschen zu lange draufhält. Genau so lange, bis Lachen in Peinlichkeit umschlägt. Es liegt aber vor allem daran, dass Louis C. K. in der Serie ein kontroverses Thema behandelt: die Krise des modernen Mannes. Louie ist ein weißer, privilegierter Kerl, dem man dabei zusieht, wie er flucht, schwitzt und sich daneben benimmt.

Louie, man kann es nicht anders sagen, ist ein ziemliches Arschloch. C.K. heroisiert oder entschuldigt seine Figur nicht, aber er macht deutlich, wo ihre Probleme liegen. Alles an der Welt, in der Louie lebt, überfordert ihn. Er weiß nicht, wie er seine Vaterrolle ausfüllen, wie er mit Frauen oder seiner Sexualität umgehen soll. In einer Folge bedrängt Louie eine Freundin. Als sie sich endlich aus seiner Umklammerung befreien kann, ruft sie: "Mein Gott, noch nicht mal vergewaltigen kannst du gut."

Diese Szene wurde in den amerikanischen Medien kontrovers diskutiert und sie wirkt heute - im Kontext der Anschuldigungen gegen C. K. - noch um einiges verstörender als bei ihrem Erscheinen. Damals, im Jahr 2014, fasste sie zusammen, was die Serie so interessant machte. Denn die Figur des Louie verkörpert zwar ziemlich viel von dem, was als "toxische Männlichkeit" definiert wird, aber sie ist auch ein von Selbsthass zerfressener Verlierer. Louie ahnt: Die Position, die er und seine Geschlechtergenossen in der Gesellschaft inne haben, werden sie nicht halten können. Diesen bitterbösen und hellsichtigen Analysen verdankt Louis C. K. seinen Erfolg.

Louis C.K. hat die Belästigungsvorwürfe gegen ihn inzwischen zugegeben, er wird damit zu einem genauso paradoxen wie perfiden Beispiel für sexualisierte Gewalt in der Unterhaltungsindustrie: Wie kaum ein anderer Comedian hat Louis C.K. in seinem Werk den Niedergang des weißen, privilegierten Mannes prophezeit. Nun spiegelt sich dieser Niedergang in seinem eigenen Leben wieder.

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