Süddeutsche Zeitung

Urteil wegen Kulturschändungen in Mali:Und was ist mit der Zerstörung von Leben?

Es ist nicht verkehrt, Kulturschändungen zu ahnden. Doch es gibt Verbrechen in Mali, die der Internationale Strafgerichtshof dringender anklagen sollte.

Kommentar von Ronen Steinke

Neulich berichtete das Netzportal The Onion von einem Verfahren des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den Milizenführer Emile Kyenge. Seine Strafe: 250 Dollar Geldbuße. Die Anklage: Er habe es versäumt, eine feuerpolizeiliche Genehmigung einzuholen, bevor er Dörfer in Flammen setzte. Er habe die Erlöse aus dem Verkauf von Sexsklavinnen nicht ordnungsgemäß versteuert. Und er habe es Kindersoldaten erlaubt, unangeschnallt auf dem Vordersitz mitzufahren, weshalb Den Haag nicht länger zusehen wolle.

Das war, natürlich, nur Satire. Aber, wie sich jetzt zeigt, leider treffend.

In Mali tobt seit 2011 ein sehr hässlicher Bürgerkrieg, nein: Es toben sich Männer aus, die vergewaltigen und morden. Vereinzelt zerstören sie auch wertvolle historische Bauwerke. Letzteres ist keine Kleinigkeit, es ist nicht bloß ein Anschlag auf Sachen, sondern auf die kulturelle Identität. Aber ist es wirklich gewichtiger als die Gräuel gegen Menschen?

Konzentration auf eine Nebensache

Die Haager Ankläger, die ihre Prioritäten sehr frei setzen dürfen, haben sich ganz auf diese Nebensache konzentriert. Mit dem Anklagepunkt "Kulturschändung" haben sie ihre Aufarbeitung des Mali-Konflikts begonnen, mit ihm haben sie sich bislang auch begnügt. Anklagen wegen der Zerstörung von Gebäuden: 1. Anklagen wegen der Zerstörung von Menschenleben, wie sie etwa die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in Mali bereits seit 2011 umfassend dokumentiert: weiterhin 0.

Es ist absolut nicht verkehrt, auch so etwas wie Kulturschändung in Den Haag anzuklagen, wenn gerade nichts Dringenderes ansteht. Wenn aber das Weltstrafgericht in Mali nichts Dringenderes anzuklagen findet, dann macht es seine Arbeit nicht richtig.

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