Süddeutsche Zeitung

Urteil gegen Achenbach:Feuer an einem überhitzten Ort

Der Bilderhändler Achenbach mag geglaubt haben, nur den Erben von Aldi geschädigt zu haben. Welch ein Irrtum. Menschen wie er schaden Museen und dem Publikum. Die sechs Jahre Haft für den Betrüger sind richtig.

Kommentar von Kia Vahland

Sechs Jahre Haft also wird der Kunstberater Helge Achenbach antreten müssen - dafür, dass er vermögende Kunstsammler beim Einkauf von Werken um viele Millionen Euro betrogen hat. Das Urteil des Landgerichts Essen, das nur knapp unter der Forderung der Staatsanwaltschaft bleibt, ist angemessen. Denn es setzt dem Irrglauben eine Grenze, der Kunstmarkt bewege sich jenseits aller gesellschaftlichen Regeln.

Noch in der Endphase des Prozesses hatte der Anwalt Achenbachs beschwichtigt, es sei niemand zu Schaden gekommen, und der Aldi-Erbe Berthold Albrecht habe sich auch die überhöhten Summen leisten können, die Achenbach ihm auf manipulierten Rechnungen unterjubelte. Damit bedient er eine verbreitete Meinung: Es habe doch nicht die Falschen getroffen.

Deutschland ist aber kein Robin-Hood-Land, auch große Vermögen sind in einem Rechtsstaat geschützt. Und: Das System Achenbach traf sehr wohl die Falschen, nämlich die Künstler. Denn indem er die Preise von Gemälden fälschte und die so entstandene Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis zusätzlich zu seiner Provision einsteckte, hat der Kunstberater Feuer gelegt in einem ohnehin überhitzten Markt.

Schädlicher Einfluss privaten Geldes

Es ist nicht gut, wenn die Preise von Kunst ins Unermessliche steigen. Dann können sich öffentliche Museen keine Ankäufe mehr leisten - und geraten umso mehr in Versuchung, fragwürdige Deals mit Leuten wie Achenbach zu machen. Der vermittelte Museumsdirektoren Spenden gegen Gefälligkeiten wie den Zugang zu Nachlassverwaltern. Und er sorgte für Wertsteigerung von privatem Kunstbesitz, indem er Museen mit Leihgaben ausstattete.

Wenn es aber im Museum mehr um privates Geld geht als um Qualität, dann werden nicht die Besten ausgestellt, sondern die am besten Verkäuflichen.

Es schadet der Kunst, wenn ihre Preise ohne alle Qualitätskriterien festgelegt werden. Eine aufgeblasene Hundeskulptur des Amerikaners Jeff Koons kostet mehr als 58 Millionen Dollar - ob sich allerdings in hundert Jahren noch irgendjemand für die schlichte Hochglanz-Bilderwelt von Koons interessiert, ist damit nicht gesagt.

Nur: Ein Preis signalisiert nicht bloß materiellen, sondern auch ideellen Wert. Kommt er ohne Kunsturteil zustande, dann werden Werke kanonisiert, die vielleicht typisch für unsere Zeit sind, aber nicht helfen, sie zu verstehen. Damit verliert die Kunst an Ausdruck und Aussagekraft. Und wenn viele Berater vielen in Kunstfragen unerfahrenen Sammlern überteuerte Werke andrehen und dann auch noch Museumsleute bezirzen (oder gleich eigene Museen gründen), dann kann sich das Publikum nicht mehr darauf verlassen, beim Museumsbesuch Relevantes zu erfahren.

Kunst ist in demokratischen Gesellschaften nicht in erster Linie für das Repräsentationsbedürfnis einiger weniger da, wie es zur Zeit der Fürsten der Fall war. Sondern sie dient der Selbstverortung einer Gesellschaft. Dafür muss sie vor Manipulatoren und Betrügern geschützt werden.

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Quelle:
SZ vom 17.03.2015
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