Urmel-Autor Max Kruse wird 90:Der Mann, der die Zeit verwandeln kann

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Er träumte davon, die Trägheit der Hand beim Schreiben zu überwinden: Autor Max Kruse entwarf Geschichten, die so federleicht sind, dass sie Kinder wie Erwachsene faszinieren. Seine bekannteste Schöpfung ist das Urmel aus dem Eis. Nun wird Max Kruse 90 Jahre alt.

Fritz Göttler

Ein Schriftstellertraum, aus der Nachkriegszeit, kurz nach der Währungsreform, vom Luxus des Schreibens. Auf der ersten Auslandsreise geträumt von Max Kruse, in die Schweiz, wo das Leben gediegen ist und die Schaufenster voll, wo er zum Beispiel einen Kugelschreiber sieht: "Wie leicht es sich mit der rollenden Kugel schrieb! Vielleicht beseitigte das meine Schreibhemmung, denn mit Füllfederhalter oder Bleistift hatte meine Hand so viel Widerstand zu überwinden, da schrieb ich nicht leicht und rasch genug, meine Gedanken waren unendlich viel schneller; bevor ich sie festmachen konnte, vergaß ich sie." So ist es festgehalten im dritten Band der Erinnerungen, "Die verwandelte Zeit".

Max Kruse feiert einen runden Geburtstag. (Foto: dpa)

Leicht und geschwind zu schreiben, das war ein Traum der mühseligen Wiederaufbauzeit, den Blick schweifen zu lassen und dem Atem der Erzählung zu folgen. Den Blick fürs Detail hatte der junge Max von seiner Mutter, der weltberühmten Puppenmacherin Käthe Kruse. Nach dem Krieg baute er, geboren am 19. November 1921 in Bad Kösen an der Saale, deren Puppenwerkstatt wieder auf, in Bad Pyrmont. 1952 kam sein erstes Buch heraus, "Der Löwe ist los", 1958 übergab er die Leitung der Puppenwerkstätten an seine Schwester und wollte nur noch Schreiber sein.

1965 wurde der "Löwe" von der Augsburger Puppenkiste ins Fernsehen gebracht, und die nächsten Jahre blieb Max Kruse der Hausautor der berühmten Marionettenbühne, sein Löwe reihte sich in die Tradition von Jim Knopf und des kleinen dicken Ritter, und 1969 dann sein Urmel aus dem Eis. Das Globale ist in diesen Geschichten mit dem Provinziellen kombiniert, die Weltfahrt des Löwen - unvergesslich: der Mister Knister und sein Krozepon! -, mit der urmeligen Paradiesbeschaulichkeit. Und die Melancholie der Kindheit lehrte uns der Seele-Fant mit seinen Gesängen: "Öch weiß nöcht, was soll ös bedeuten . . ."

Inzwischen arbeitet Max Kruse längst mit dem Textcomputer, und die Bücher sind ein wenig ambitionierter geworden, der Fantasy-Roman "Schattenbruder" oder eine Kulturgeschichte, "Im weiten Land der Zeit". Noch ein anderer Traum, kurz nach dem Kugelschreiber, in Zürich geträumt, ein silbriges Gerät, kaum größer als eine Zigarettenschachtel, ein Diktiergerät: "Da konnte man hineindiktieren und alles wurde festgehalten, das war doch wirklich Zauberei: Nie mehr mit der trägen Hand schreiben, nur noch sprechen, wo immer ich wollte, auch nachts, im Dunkeln, im Bett." Eine Vision, in dem sich allermodernste Technologie mit den alten Dichterträumen verband vom inspirierten, eleganten, automatischen Schreiben. Am Samstag wird Max Kruse neunzig.

© SZ vom 19.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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