Im Streit um Frank Castorfs Inszenierung von Bertolt Brechts "Baal" haben der Suhrkamp Verlag und das Münchner Residenztheater am Mittwochabend vor der 21. Zivilkammer des Landgerichts München I einen Vergleich geschlossen: "Baal" darf noch einmal am Residenztheater gezeigt werden, wahrscheinlich am 28. Februar, und einmal beim Berliner Theatertreffen im Mai.
Auf alle weiteren Aufführungen muss das Bayerische Staatsschauspiel verzichten. Das Stück hatte am 15. Januar Premiere am Residenztheater - zwei Wochen später äußerte sich der Suhrkamp Verlag dazu wenig amüsiert: "Innerhalb der Produktion werden umfänglich Fremdtexte verwendet, die Werkeinheit wird aufgelöst. Absprachen zur Verwendung von Fremdtexten hat es im Vorfeld nicht gegeben. Dies verletzt das Urheberrecht und ist durch den mit der Bühne geschlossenen Aufführungsvertrag nicht gedeckt. Das Theater hat uns trotz mehrfacher Aufforderung die endgültige Spielfassung bis heute nicht zur Verfügung gestellt."
Verlag zeigte wenig Kompromissbereitschaft
Suhrkamp beantragte vor Gericht eine einstweilige Verfügung, um die Absetzung künftiger "Baal"-Aufführungen zu erreichen. Zunächst hatte der Richter einen Vergleich vorgeschlagen, der noch eine geplante Vorstellung am Residenztheater im Februar sowie im März vorgesehen hätte, sowie die Aufführung von "Baal" beim Berliner Theatertreffen.
Auf diesen Vergleich hätte sich das Residenztheater eingelassen; dies signalisierten die Anwälte der Bühne nach einer kurzen Beratungspause. Die Kläger lehnten dies jedoch ab - auch dann noch, als die Gegenpartei sich mit nur einer Vorstellung im Februar und dem Auftritt beim Theatertreffen begnügt hätte.
Frage nach Klagerecht des Suhrkamp-Verlags
Die Suhrkamp-Vertreter wollten die Produktion umgehend abgesetzt wissen. Der Richter stellte dann die Grundsatzfrage, ob Suhrkamp überhaupt Inhaber der Bühnen- und Aufführungsrechte und damit klageberechtigt sei - oder ob sich seine Rechte nicht lediglich auf die schriftliche Verbreitung von Brecht-Texten beschränkten. Dies spielte später beim Vergleich aber keine Rolle mehr. Martin Kušej, Intendant des Residenztheaters, hatte sich schon am Tag der Suhrkamp-Erklärung selbst "außerordentlich irritiert" gezeigt.
Er stellte Castorfs Inszenierung in den Kontext von dessen Theaterarbeiten und betrachtete die Anreicherung des Brecht-Textes als legitim. Castorf habe etwa Texte von Rimbaud verwendet, "deren Einfluss in Brechts Werken erkennbar ist", er habe jenen "intellektuellen und sinnlichen Overkill" inszeniert, "für den dieser Regisseur seit Jahrzehnten berühmt und berüchtigt ist".
Ausgebaut zur großen westlichen Gier nach Macht
Außerdem habe sich der Suhrkamp Verlag bewusst für die Vergabe der Rechte an das Residenztheater und Castorf entschieden, im Wissen um die Arbeitsweise des Regisseurs.
Das Residenztheater habe bereits weit vor Probenbeginn begonnen, den Rechteinhabern des Brecht-Textes die literarische und szenische Erarbeitung der Inszenierung kenntlich zu machen.
Reaktion Suhrkamp, drei Tage später: "Das Residenztheater hat die erforderliche Zustimmung zu dieser Bearbeitung des Stückes beim Suhrkamp Verlag nicht eingeholt. Der Aufführungsvertrag aber sieht vor, dass insbesondere Hinzufügungen zum Originaltext der schriftlichen Genehmigung des Verlags bedürfen."
Tatsächlich baut Castorfs Inszenierung vor allem mit nachgespielten und filmisch wiedergegebenen Szenen aus Francis Ford Coppolas Film "Apocalypse Now Redux" Baals Hunger nach Leben zu einem Tableau der großen westlichen Gier nach Macht aus.