Süddeutsche Zeitung

Uraufführung:Emotionaler Sog

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Rias Chor und Münchner Kammerorchester mit einem Auftragswerk von Georg Friedrich Haas

Von Andreas Pernpeintner, München

Lässt man bei der Uraufführung der "3 Stücke für Mollena" von Georg Friedrich Haas durch den Rias Kammerchor und das Münchener Kammerorchester im Prinzregententheater die Klangbilder des ersten Satzes auf sich wirken, wundert es doch sehr, dass der Komponist sein Werk als "glückliche Musik" bezeichnet. Denn dieser erste Satz, "das Ende der Sehnsucht", steht mit seinen flirrend bewegten Clustern und mit seinen hypnotischen, textlosen Linien des Chores unter großer Spannung. Das wirkt sehr beklemmend. Keine Frage, die Musik wird anschließend lichter, friedlicher.

Haas hat dieses Werk sehr komplex entworfen: mit weit gespannter und auch mit denkbar kleinteiliger Polyphonie, mit Mikrointervallen und Aberwitzigkeiten wie dem 47/16-Takt des dritten Satzes, "Hochzeitsmarsch". Es ist beeindruckend, dass die Musik trotzdem nicht konstruiert klingt. Vielmehr entsteht ein zwingender emotionaler Sog, vor allem im gleißend hellen zweiten Satz, "Harmonie", mit seiner enormen dynamischen Entwicklung. Von Chor und Orchester blendend vorgetragen, ist das ein intensives Musikerlebnis. Mendelssohns "Lobgesang" setzt das Konzert stimmig fort. Dirigent Alexander Liebreich trägt der Tatsache, dass er diese Sinfonie-Kantate mit Kammerchor und Kammerorchester in relativ kompakter Mannschaftsstärke aufführt, überzeugend Rechnung: Recht stringent gibt er die eröffnende dreiteilige Sinfonia vor, dirigiert ohne Effektmaximierung, auf natürlichen musikalischen Fluss und deutlich phrasierte Formgebung bedacht. Das klingt frisch - und besonders anmutig im Allegretto, das die Holzbläser einfach wunderbar spielen. Der Chor setzt dann mit großer Präsenz ein und lässt darin bis zum ergreifenden A-cappella-Choral und zum Schlusschor nicht nach.

Auch die Solisten, die Sopranistinnen Letizia Scherrer und Isabel Jantschek sowie der Tenor Attilio Glaser, greifen Liebreichs unprätentiöse Interpretation gut auf. Vielleicht könnte Glaser die Arie "Stricke des Todes hatten uns umfangen" etwas flammender singen. Vielleicht klänge manche Passage runder, wenn die Hornisten keine Naturhörner, sondern wie fast alle anderen Orchestermusiker moderne, wärmer klingende Instrumente spielten (zumal dann auch die ständigen Installateursarbeiten beim Bügelwechsel wegfielen) - aber das sind allenfalls Detailtrübungen einer hervorragenden Darbietung.

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Quelle:
SZ vom 19.03.2016
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