"Unterwanderung" der USA:Der Skandal ist programmiert

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In einigen Tagen erscheint ein Buch, das behauptet, Amerika sei von Israel-Lobbyisten unterwandert. Sie seien daran schuld, dass die Bedrohung durch den Terrorismus höher sei denn je.

Jörg Häntzschel

Wenn man in Amerikas ruhiger akademischer Szene eine Bombe zünden will, dann am besten so: Ein informelles Netzwerk pro-israelischer Akteure besetze die wichtigen Stellen in Washington, nehme die Außenpolitik in die Hand und versuche, alle israelkritischen Stimmen in der öffentlichen Debatte zu unterdrücken. Genau das schrieben John Mearsheimer, Politologe an der University of Chicago, und Stephen Walt, Professor an der Kennedy School of Government der Universität Harvard, letztes Jahr in ihrem Essay "The Israel Lobby".

Damals waren die Reaktionen heftig: "pro-arabische Propaganda" und "Antisemitismus" wurde ihnen vorgeworfen - oder man bezeichnete sie ganz einfach als "dumm". Wenn am 4. September unter dem Titel "The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy" die Buchversion des Essays erscheint, wird der Sturm wohl noch heftiger werden. Und der Streit beginnt schon jetzt, zwei Wochen vor dem Erscheinen.

Walt und Mearsheimer planten, wie in solchen Fällen üblich, ihr Buch auf einer Tour durch amerikanische Städte vorzustellen. Doch nun sagen die Universitäten, Buchhandlungen und Kulturzentren reihenweise ab. Zu kontrovers, zu einseitig, zu provokant seien die Thesen von Mearsheimer/Walt, zu heikel das Thema. Leider, es gehe einfach nicht. Zu den prominenteren Institutionen, die die Autoren wieder ausluden, gehören die New Yorker City University und der Council on Foreign Affairs in Chicago.

Überraschungen sind von dem Buch wohl nicht zu erwarten. Doch die zentrale These des damals in der "London Review of Books" erschienenen Beitrags - der "Atlantic Monthly" hatte abgesagt - hat nichts von ihrer Explosivität verloren. Rührt sie doch an eine der zentralen Konstanten der amerikanischen Außenpolitik seit dem Zweiten Weltkrieg: Amerikas unverbrüchliche Verbundenheit mit Israel.

Diese zu erhalten und weiter zu vertiefen, sei das Ziel eines kaum organisierten, aber dennoch enorm effektiven Netzwerks von radikal pro-israelisch eingestellten, nicht unbedingt auch dem jüdischen Glauben angehörigen Figuren, die Amerikas Regierung, den Kongress, weite Teile der Medien und die Thinktanks und politischen Organisationen dominierten. Nicht Amerikas Interessen würde ihr Engagement dienen, sondern denen Israels, einem Land, dessen besondere Schutzbedürftigkeit längst Geschichte, dessen moralische Überlegenheit längst verspielt sei, und das sich, obwohl gerne Empfänger amerikanischer Wohltaten, Amerika gegenüber kaum zu Loyalität verpflichtet fühlt.

"Einfach falsch"

Nie habe diese Lobby so viel Einfluss gehabt wie in den letzten Jahren, als Neocons und Israel-Lobbyisten wie Paul Wolfowitz, Richard Perle, Scooter Libby und Douglas Feith in Washington das Sagen hatten. Sie seien die entscheidenden Motoren des Irakkriegs gewesen und hätten ebenso laut für Kriege gegen Syrien und Iran getrommelt. Wenn Amerika heute isoliert sei, die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts in weite Ferne gerückt und die weltweite Bedrohung durch den Terrorismus höher denn je, dann sei das das Werk der Israel-Lobby.

Einen Vorgeschmack auf das, was den Autoren in den nächsten Wochen blüht, erlebte letztes Jahr der britische Historiker Tony Judt von der New York University, der Walt und Mearsheimer mit einer wohlabgewogenen Verteidigung zur Seite sprang. Eine Stunde bevor er in einem vom Veranstalter gemieteten Raum in der polnischen Botschaft sprechen sollte, sagte der Botschafter als Hausherr die Veranstaltung ab - "auf zarten Druck" des American Jewish Committee und der Anti-Defamation League (ADL), einer jüdisch dominierten Organisation, die sich gegen Antisemitismus und andere Formen des Rassismus einsetzt. Auch ein späterer Vortrag in New York fiel aus.

"Es ist schwerwiegend und erschreckend, und nur in Amerika, nicht in Israel gibt es dieses Problem", sagte Judt, der selbst Jude ist. "Dies sind jüdische Organisationen, die glauben, sie müssten jeden, der in Sachen Naher Osten nicht ihrer Meinung ist, am Sprechen hindern."

Wie erhitzt die Gemüter sind, zeigt sich schon daran, dass am 4. September nicht nur das Buch von Walt und Mearsheimer, sondern auch bereits die Replik darauf in Buchform erscheinen wird: "The Deadliest Lies: The Israel Lobby and the Myth of Jewish Control". Autor ist kein anderer als Abraham Foxman, seit 20 Jahren Direktor der ADL.

Das Vorwort stammt von George Shultz, dem amerikanischen Außenminister unter Ronald Reagan. Die Vorstellung, dass pro-israelische Gruppen "eine gemeinsame Agenda haben und dass die amerikanische Israel- und Nahost-Politik das Produkt ihres Einflusses sei, ist einfach falsch", schreibt dieser. "Es handelt sich um eine reine Verschwörungstheorie und Wissenschaftler hervorragender Universitäten sollten sich schämen, sie zu verbreiten."

© SZ vom 22.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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