Unterhaltungsprogramm der Öffentlich-Rechtlichen:Koste es, was es wolle

Gute Unterhaltung sollte ARD und ZDF teuer sein. Leider ist sie viel zu oft nur eines: billig. Bei mehr als sieben Milliarden Euro Gebühreneinnahmen pro Jahr muss man endlich Qualität verlangen dürfen.

Michael Jürgs

Erstens ist gute Unterhaltung schlicht das, da wo keiner einschläft. Zweitens ist gute Unterhaltung machbar von ARD und ZDF. Aber drittens ist gute Unterhaltung einfach alles, solange es unterhaltsam den Bildschirm füllt - von Monitors Menetekeln bis zu Maischbergers Menschen, von Kerners Köchen bis zu Gottschalks Couch Potatoes, von Richlings Rollenspielen bis zu Frontal 21.

Unterhaltungsprogramm der Öffentlich-Rechtlichen: Rosamunde-Pilcher Verfilmung von 2000 im ZDF (mit Mariella Ahrens, Clemens Jakubetz und Nicolas König)

Rosamunde-Pilcher Verfilmung von 2000 im ZDF (mit Mariella Ahrens, Clemens Jakubetz und Nicolas König)

(Foto: Foto: dpa/ZDF)

Aufklärung durch Informationen und Enthüllungen durch Recherchen sind da viel unterhaltsamer als die Auftritte singender Lemuren oder die O-Töne von Vertretern der Promiklasse C Minus, die in Brisant (ARD) oder Leute heute (ZDF) Gossip mit Gosse verwechseln dürfen.

Da auf diesem Niveau private Sender in ihren verschiedenen Containern und Camps unschlagbar sind, ist es taktisch falsch, sie ausgerechnet darin herauszufordern, belegbar am ARD-Beispiel Bruce Darnell, der mit einer Styling-Show bei Pro Sieben gut, im Ersten danach überhaupt nicht mehr ankam. Unterhaltung von RTL, Pro Sieben oder Sat1 ist aber nicht nur einfach gestrickt, sondern oft einfach gut gemacht - zum Beispiel von Günther Jauch, Hape Kerkeling, Stefan Raab.

Das haben auch die für Unterhaltung zuständigen Manager von ARD und ZDF erkannt und wollen die Genannten zur öffentlich-rechtlichen Mutter locken. Koste es, was es den Gebührenzahler koste. Bis man allerdings die beim Volk Beliebten unter Vertrag habe, müsse man sich von dem unterhalten lassen, was man habe: beim ZDF zum Beispiel von der vor 27 Jahren von Frank Elstner am Küchentisch nachts gegen drei Uhr erfundenen Familienshow Wetten, dass...?

Nein, genau so kann es aber nicht laufen. Dass viele Versuche von ARD und ZDF, publikumswirksame und dennoch intelligente moderne Unterhaltung zu produzieren, gescheitert sind, wissen die Verantwortlichen. Auch sie schauen Entertainment auf BBC und sind nicht von Haus aus blöde.

Das Scheitern beim ZDF fällt nur deshalb nicht so sehr auf, weil die Flops der ARD entsprechend ihrer Anstaltsvielzahl zahlreicher sind. Inzwischen weiß kaum noch einer auf Anhieb, auf welchem Kanal er sich gerade befindet, wenn wieder mal wer auch immer mit wem was auch immer kocht, wer für wen mit wem warum jodelt und knödelt, wobei Volksmusikanten zu verhöhnen mittlerweile so aufregend ist wie eine Talkshow mit Veronica Ferres.

Sich mit immer neuen Spielformen des Quiz zu retten, weil laut Hape Kerkeling das ganze Leben ein Quiz ist, scheint den für Kreativität Verantwortlichen allerdings auch nicht mehr zu genügen. Diesen Eindruck vermittelt jedenfalls das Protokoll von der jüngsten ARD-Tagung zum Thema Unterhaltung, die in Baden-Baden stattfand: Eine Donnerstag-Spielshow parallel zum Start des von September an obligatorischen Einbürgerungstests für Deutschwillige ist geplant, und der Jahresrückblick am 27. Dezember wird per interaktiver Teilnahme der Zuschauer aufgemotzt. Beides soll, produziert von SWR, WDR und NDR, Frank Plasberg moderieren, der harte aber faire Talkshowmoderator der ARD.

Natürlich ließe sich hier aufzählen, was an Unterhaltung jenseits der dringend benötigen Showformate, Comedy-serien, Vorabendtelenovelas im Ersten und Zweiten nicht gesendet werden sollte: alles, was am Samstagabend unschuldige Menschen verschreckt, also Filme, deren Titel anfangen mit Da, wo... (Heimat, Liebe, Freundschaft) wohnt. Alles von Inga Lindström und Rosamunde Pilcher (im ZDF). Und alles, was die durchschnittliche Intelligenz beleidigt.

Koste es, was es wolle

Das Problem Unterhaltung ließe sich eigentlich ganz gut lösen: Alle Mitarbeiter von ARD und ZDF werden aufgefordert, ihre Ideen bei internen Wettbewerben einzureichen. Bei der ARD gibt es entsprechend der einzelnen Sendegebiete regionale Ausscheidungen, beim ZDF wird in Mainz entschieden. Über die besten zwanzig Piloten - das sind in diesem Fall Probeaufnahmen, die das grundsätzliche Konzept wiedergeben - soll der Zuschauer abstimmen.

Platz drei und zwei werden mindestens achtteilig fürs Vorabendprogramm produziert, Platz eins darf in die Hauptsendezeit nach 20 Uhr. ARD-Programmdirektor Günter Struve, 68, hört im Oktober auf. Früher, als man mit ihm auf der gleichen Augenhöhe hätte streiten müssen, haben viele ARD-Intendanten nicht zu widersprechen gewagt und deshalb glaubte der Zyniker Struve: Was er für die ARD tat, indem er ihr vieles zumutete, sei wohl getan.

Tatkräftige und wachsame Träumer vonnöten

Da ihn jetzt die Altersweisheit anspringt und er plötzlich bekennt, als ARD-Programmdirektor vielleicht doch nicht alles richtig gemacht zu haben, sollte man ihm verzeihen. Er hat Jodel-Diplomträger und melodramatische Eigenproduktionen ins Programm geschmiert, aber er wollte stets nur das Beste, egal auf welchem Niveau: Quote. Eine Pflicht zur Quote ist in den Staatsverträgen aber nicht aufgeschrieben.

Bei mehr als sieben Milliarden Euro Gebühreneinnahmen pro Jahr muss man endlich in der Unterhaltung Qualität verlangen können also eine Unterhaltung, die sich nicht an der Quote orientiert. ARD und ZDF haben sich in den Jahren, in denen öffentlich-rechtliche Unterhaltung von kommerzieller Unterhaltung nicht mehr zu unterscheiden war, ein Publikum geformt, das darauf wieder eingestimmt werden muss. Da kann die Quote vorerst keine Bemessungsgrundlage mehr sein.

Für gute Unterhaltung braucht es tatkräftige und wachsame Träumer, die wissen, dass längst alle Tabus gebrochen sind und es inzwischen nicht einmal mehr Quote macht, wenn Lady Bitch mit Oliver Pocher so zotet, dass es selbst Harald Schmidt die Sprache verschlägt.

Die Heilung der Patientin Unterhaltung ist über Nacht nicht zu erwarten. Nachhaltig genesen wird sie erst wieder, wenn es gelingt, eine zentrale Redaktion für Unterhaltung in der ARD zu installieren - so wie sie das ZDF bereits hat. Das allein reicht jedoch noch nicht, wie wiederum das Beispiel ZDF beweist, sonst würden dort nur Sterne am Unterhaltungshimmel leuchten.

Eine Taskforce Unterhaltung der ARD kann nur funktionieren, wenn sie Entscheidungen über die Sendeplätze eigenverantwortlich treffen kann. Das käme einer Revolution gleich. Kreative, mutige, phantasievolle Macher jedoch müssten sich finden lassen. Sie sind ja längst nicht mehr nur bei den Privaten.

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