Süddeutsche Zeitung

Unruhe um Literaturnobelpreis:Kultursinn, Klüngeleien, Korruption

Die Schwedische Akademie steckt in einer schweren Krise. Was verbirgt sich hinter der Einrichtung, die den Literaturnobelpreis vergibt und immer genau 18 Mitglieder haben muss?

Von Gunnar Herrmann

In diesem Jahr wird die Schwedische Akademie keinen Literaturnobelpreis vergeben. Nach einem Belästigungs- und Korruptionsskandal möchte das Jury-Gremium erst das "Vertrauen der Öffentlichkeit in die Akademie wiederherstellen", hieß es am Freitag.

Was genau ist die Schwedische Akademie?

Die Schwedische Akademie ist heute vor allem dafür bekannt, jedes Jahr in ihrem Altbau in der Stockholmer Innenstadt zu verkünden, wer den Literaturnobelpreis bekommt. Sie ist aber viel älter als der 1901 zum ersten Mal verliehene Preis. Bereits 1786 hat der kunstinteressierte König Gustav III. sie gegründet. Er bestimmte damals auch, dass sie genau 18 Mitglieder haben soll. Sie wählen aus ihrer Mitte einen "ständigen Sekretär", der in der heutigen Zeit den Nobelpreisträger verkündet.

Warum gründete der König die Akademie?

Gustav III. wollte - ganz im Sinne der Aufklärung - dass die Akademie Kultursinn und gute Sitten fördert. Insbesondere sollte sie sich um "Reinheit und Stärke" der schwedischen Sprache bemühen, indem sie sich um Kunst und Literatur kümmert. Zum Wahlspruch machte der König: "Snille och smak", was etwa so viel bedeutet wie: "Talent und Geschmack". Zu den Aufgaben der Akademie zählt die Herausgabe von Wörterbüchern, Wortlisten und einem Standardwerk zur schwedischen Grammatik. Außerdem vergibt sie neben dem Nobelpreis noch weitere Preise - unter anderem den nach einem bekannten schwedischen Dichter benannten Bellman-Preis, einen Theaterpreis, einen Preis für Schwedischlehrer und einen für Bibliothekare.

Wer sind die Mitglieder? Und warum sind es immer 18?

Warum es 18 sind, weiß man nicht genau. Gustav III. nahm sich damals die Académie francaise zum Vorbild, die 40 Mitglieder hat. Der Legende nach wollte Gustav seiner Akademie erst genau halb so viele Mitglieder zugestehen wie in Frankreich - also 20. Er soll sich dann aber für 18 entschieden haben, weil "aderton" (achtzehn) auf altmodischem Schwedisch einfach flotter klingt als "tjugo" (zwanzig).

Die Mitglieder sind meist Schriftsteller, Intellektuelle und Professoren. Wie in Frankreich bestimmen die Akademiemitglieder Nachfolger für verstorbene Kollegen selber. Die Wahl erfolgte bis vor Kurzem noch auf Lebenszeit. Inzwischen ist es auch möglich, auszutreten - eine Option, die einige der Mitglieder sich nach den Skandalen der vergangenen Monate dringend gewünscht hatten. Die Akademie benötigt für manche Entscheidungen - etwa zur Wahl neuer Mitglieder - mindestens zwölf Stimmberechtigte. Zuletzt waren aber nur noch zehn aktiv.

Was ist passiert?

Es gab Klüngeleien - vor allem aber Vorwürfe wegen sexueller Belästigung von Frauen. Das Akademie-Mitglied Katarina Frostenson hatte ihrem Ehemann Aufträge und damit Geldmittel der Akademie zugeschoben. 18 Frauen hatten dem Mann im vergangenen Jahr darüber hinaus sexuelle Belästigung vorgeworfen. Eine von der Akademie in Auftrag gegebene Untersuchung bestätigte "unakzeptables Verhalten in Form von unerwünschter Intimität". Außerdem soll illegal Alkohol ausgeschenkt worden sein. Inzwischen ermittelt auch die Staatsanwaltschaft in der Angelegenheit.

Hat das Königshaus heute noch etwas mit der Akademie zu tun?

Der derzeitige König Carl XVI. Gustaf ist laut Satzung wie auch seine Vorgänger "Beschützer" der Akademie. Darum macht er sich jüngeren Pressmitteilungen zufolge auch "große Sorgen" wegen der nun aufgedeckten Skandale. Der König war es auch der jüngst die Satzung änderte, um den Mitgliedern zu gestatten, von ihren Ämtern zurückzutreten. Er erklärte dabei aber auch, die Akademie genieße große Selbständigkeit und müsse deshalb vor allem selbst dafür sorgen, das verlorene Vertrauen wieder zurückzugewinnen.

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