Unplugged:Alte Meister, alte Kracher

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Intim im Team: An die 160 Fans durften beim Unplugged-Konzert im BR-Funkhaus dabei sein. (Foto: Markus Konvalin)

Heimspiel bei bayerischen Fans: "Die Toten Hosen" im Funkhaus

Von Franz Kotteder, München

Das Genre des Gesprächskonzerts ist im Bayerischen Rundfunk ja eigentlich eher dem Altehrwürdigen vorbehalten. Aber was soll man sagen: Anscheinend gehören die Toten Hosen jetzt auch schon dazu. Die Hörfunkwelle Bayern 3 lud an die 160 Fans zum Unplugged-Konzert ins Funkhaus, und dabei durften viele, viele Fragen gestellt werden. Diese Gelegenheit wurde natürlich dankbar genutzt, und so hatten Campino und seine Mit-Hosen ganz schön zu tun, in den knapp drei Stunden auch noch 18 Lieder unterzubringen.

"Bescheuert", so Campino, seien nie die Fragen, nur die Antworten, schlimmstenfalls. Manchmal gab's auch keine - etwa, als "Manfred aus der Oberpfalz" wissen wollte, wie denn dieser Ehering an Campinos Finger kam. "Da schweigt des Sängers Höflichkeit", kann man da schlecht sagen, denn Campino bemerkt immerhin lachend: "Niemand wollte bisher der Arsch sein, der diese Frage stellt", aber beantworten will er sie auch nicht. Er flüchtet sich in ein lapidares "So wie Liz Taylor ist zu viel, aber einmal heiraten ist geil bourgeois!". Sonst aber ist er offenherzig, und manchmal wird es hübsch nostalgisch, etwa wenn ihn "Manu aus Jesenwang" an den Videodreh zu "Eisgekühlter Bommerlunder" in der dortigen Kirche erinnert: Die musste danach neu geweiht werden.

Eine gewisse Nostalgie schwingt sowieso den ganzen Abend über mit. Wenn Campino etwa zu "Bonnie & Clyde" ins Publikum steigt und quer über die Sitzflächen der Stuhlreihen wandert, denkt man sich unwillkürlich: Beim Stage-Diving war er auch schon mal wilder. Nicht, dass die Akustikversionen der alten Hosen-Kracher zu besinnlich rüberkämen, das ist es nicht. "Blitzkrieg Bop" von den Ramones zum Einstieg und "Hier kommt Alex" in einer Variante, die stark an "La Grange" von ZZ Top angelehnt ist - das hat nach wie vor die alte Kraft und Gewalt. Gut, dagegen fallen manche neuere Nummern ab; "Kamikaze" und "Wannsee" kann man sich leider auch als Begleitmusik zu einer Fernsehbierreklame vorstellen, inklusive Kameradrohnenflug über blühende Landschaften.

Dafür sind manche Stücke, wie "Willkommen in Deutschland", in denen es schon Anfang der Neunzigerjahre um den wieder auflebenden Rechtsradikalismus ging, "wieder nagelneu, da ist kein Staub drauf" (Campino). Leider. Die "Schlachtgesänge für die, die so denken wie wir", ändern zwar nichts bei den Rechten, das wissen die Hosen auch. Aber wie wichtig es ist, den anderen zu zeigen, dass sie nicht allein sind, beweist ein Fan aus einem oberfränkischen Grenzdorf zu Thüringen, der wegen seiner Haltung viel angefeindet wird, wie er erzählt. "Macht bitte weiter gegen diesen Rechtsruck", sagt er fast schon flehentlich, "Ihr seid irgendwo ja auch ein Vorbild." Da spricht dann auch der sonst so zurückhaltende Gitarrist Breiti: "Die Zeiten des Drumherumredens sind echt vorbei." Und am Schluss folgt noch die Vereinshymne des FC Liverpool, "You'll Never Walk Alone". Dass es darin keineswegs nur um Fußball geht, sondern um eine Lebenseinstellung, ist allen klar.

© SZ vom 05.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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