Süddeutsche Zeitung

Dokumentarfilm "United States of America" im Kino:Bilder einer Fiktion

Ein Land in 52 Kamera-Einstellungen: Mit dem Dokumentarfilm "United States of America" entwirft James Benning ein meditatives Bild seiner Heimat.

Von Philipp Stadelmaier

Der Avantgarde-Filmemacher James Benning, Jahrgang 1942, hat sich der dokumentarischen Vermessung des US-amerikanischen Territoriums verschrieben. So auch in "The United States of America". Texttafeln kündigen in alphabetischer Reihenfolge Orte in den 50 Bundesstaaten an, jeweils gefolgt von 50 knapp zweiminütigen, statischen Einstellungen, die ihnen zugeordnet werden: ausgetrocknete Flüsse und Bergmassive, Obdachlose, Industrieanlagen und Gefängnisse.

Genial ist die Auflösung jeglicher Spezifizität: Mal filmt Benning nur eine Flagge im Wind, mal nur die Wolken, während der vom Alphabet vorgegebene Wechsel zwischen den Orten wilde Sprünge durch die Geografie verursacht und eine Pointe im Abspann die Verbindung zwischen Text und Bild komplett infrage stellt. Die menschenleeren Landschaftseinstellungen setzen sich nicht zum Bild einer geeinten Nation zusammen, sondern meditieren über die USA als Fiktion und siedlerkoloniales Konstrukt. Ein dank seiner ruhigen Strukturiertheit unendlich befriedigender Film (wie immer bei Benning) und eine Schule des genauen Hinschauens.

The United States of America, USA 2022. - Regie, Buch, Kamera: James Benning. Arsenal Filmverleih, 98 Min. Kinostart: 26. 5. 2022.

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