Unionspolitiker kritisieren Brutal-TV:Friedhof der Osterhasen

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Bischöfe und Unions-Politiker dreschen wegen "Brutal-TV" auf TV-Stationen ein - und senden damit eine hilflose Osterbotschaft.

Carsten Matthäus

Da sind sie wieder, die selbst ernannten Bewahrer höherer Werte. Sie heißen Günther Oettinger und Christine Haderthauer, haben ihre politische Heimat in der Christlichen Union, mal mit D für demokratisch, mal mit S für sozial. Beide verstehen sie nach eigenem Dafürhalten etwas von Sensibilität und Rücksicht - vor allem dann, wenn es um christliche Werte, das C in ihrem Parteinamen geht. Und sie haben sich beeilt, die Kritik des Erzbischofes von München und Freising, Reinhard Marx, wortgewaltig zu verstärken. Dieser hatte zuvor moniert, dass die blutigen Actionfilme "Stirb langsam" (Sat1, 22.15 Uhr) und "Sudden death" (RTL, 23.15 Uhr) am Karfreitag ins Programm gehoben wurden.

Werbung für "Stirb langsam": Rechtzeitig den Abschaltknopf bedienen (Foto: Foto: dpa)

Was die Unionspolitiker genau gesagt haben, ist austauschbar und lässt sich auf ein paar einfache Sätze reduzieren: An christlichen Feiertagen soll das Fernsehen bitteschön nur gewaltfreie Sendungen ausstrahlen. Man möge doch die religösen Gefühle der Mehrzahl der deutschen Bevölkerung respektieren (Oettinger). Überhaupt sei Ostern ein Fest des Miteinanders und des Friedens (Haderthauer). Und so weiter.

Schnell gesprochen klingen solche Sätze gar nicht so dumm, sie sind es aber. Religiöse Gefühle werden im Fernsehen ständig verletzt. Eine Beschränkung auf einzelne Relgionen oder gar auf deren Feiertage ist unsinnig. Nur zwei Beispiele dazu: Erst kürzlich hatte die ARD mit der Ausstrahlung der "Tatort"-Folge "Wem Ehre gebührt" wütende Proteste der Aleviten in Deutschland provoziert. Vor nicht allzu langer Zeit hat der baden-württembergische Ministerpräsident Oettinger selbst die Gefühle jüdischer Mitbürger getroffen, als er den Nazi Hans Filbinger in einer vom Fernsehen übertragenen Trauerrede eben mal zum ehrenhaften Mann umdeklarieren wollte.

Über Sensibilität zu reden, erfordert zudem eine gewisse moralische Autorität, die man weder durch die Mitgliedschaft in einer Partei erwirbt noch durch die Taufe. Schon gar nicht ist es statthaft, einen moralischen Anspruch dadurch zu begründen, man spräche für die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger.

Eine sehr kleine und unbedeutende Gruppe von Menschen sollte einem Politiker beim Thema Verantwortung keinen Deut weniger wert sein als die Mehrheit. Dies ist übrigens bei genauerem Hinsehen auch ein Teil der Osterbotschaft. Aber soweit kamen die beiden Unionspolitiker in ihren friedlichen Stunden offenbar nicht, sie mussten ja Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache betreiben.

Die Verantwortlichen der TV-Sender haben zudem einen guten Grund, die moralinsaure Kritik der Vorzeige-Konservativen an sich abtropfen zu lassen. Jeder Sender macht ja nur ein Angebot unter vielen. Wer wollte, konnte am Karfreitag abend auf Beschauliches ausweichen: "Die fabelhafte Welt der Amélie" (Vox, 20.15 Uhr), "Zwei Herzen und ein Edelweiß" (ARD, 20.15 Uhr), "Wallace & Gromit" (Super RTL, 20.15 und 22.00 Uhr). Ironie der Geschichte: Im Nachtprogramm des Karfreitags wurde auch die "Passion Christi" (Pro Sieben, 23.35 Uhr) gezeigt. Mel Gibsons martialischer Kreuzigungs-Blutrausch, wiewohl christlich-korrekt, führte mit großer Sicherheit nicht zu friedvollen Osterträumen.

Weitaus intelligenter als sein Amtsbruder Marx und die Christen-Versteher Oettinger und Haderthauer hat sich der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, zu Wort gemeldet. In seiner Osterpredigt rief er die Christen zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den Medien auf. Jeder habe "die Freiheit, sich bestimmte Dinge nicht anzuschauen oder rechtzeitig den Abschaltknopf zu bedienen".

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