Unfreiwilliges politisches Kabarett:Speed-Dating mit der SPD

Lesezeit: 1 min

(Foto: Stephan Rumpf)

Von Gerhard matzig

Einschlägigen Foren zufolge kommt es beim Speed-Dating darauf an, in kürzester Zeit mit minimalen Mitteln das Gegenüber glauben zu lassen, man sei etwas Maximales. Also zum Beispiel sympathisch, erfolgreich, einfühlsam, kompetent, vertrauenserweckend, klug, weise, humorvoll, aufrichtig und möglicherweise entweder nicht unvermögend oder aber eine amouröse Offenbarung. Oder zumindest nicht jemand, der Klara Geywitz oder Olaf Scholz heißt. Ist das Gegenüber insofern auch nur ein bisschen zugeneigt: match!

Wie also um August Bebels willen kommt die SPD nun auf die Idee, Speed-Dating könne eine Methode sein, um der Einsamkeit an langen und dunklen Wahlabenden zu entrinnen? In Deutschland hatte man seit 1863 jede Menge Zeit, um sich in die SPD zu verlieben. Daraus folgte: u. a. die Bundestagswahl 2017 und also das schlechteste Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg; sowie die große Koalition.

Dennoch oder auch erschreckenderweise vermutlich deshalb lädt der SPD-Unterbezirk München-Stadt für den 4. Dezember in die "Amore Bar" zum "Speed-Dating für den Stadtrat" ein. "Aus Liebe zu München" solle sich dann das Volk in "lockerer Atmosphäre" jenen Kandidaten - minutenweise - nähern, die für die SPD in den Münchner Stadtrat ziehen wollen. Als wolle die SPD ihren Namen neu buchstabieren: SP-eed-D-ating.

Es ist gut, dass die Amore Bar nicht die Egon Bar ist, die vor sehr langer Zeit, als das sozialdemokratische München noch nicht so herumirrend auf der Suche nach etwas mehr Gegenwart und Aufgeschlossenheit war, tatsächlich von Egon Bahr besucht wurde. Und gut auch, dass der vor vier Jahren gestorbene Egon Bahr in der Amore Bar nicht mehr erleben muss, wie Münchner SPD-Kandidaten in lockerer Atmosphäre versuchen, speedmäßig von sich und der Partei zu überzeugen.

Aus Liebe zu München und auch aus Liebe zur SPD und zur Klasse der Politiker muss man jetzt mal sagen: Leute, wer die immer komplexer werdende Politik auf immer kleinere oder auch nur lustigere Bierfilze zwängt, wer die Neunzigerjahre mit der Gegenwart verwechselt und die Selbstverzwergung mit Nähe, der darf sich nicht wundern, wenn das Speed-Dating zum stimmungsdemokratischen Speed-Hating wird.

© SZ vom 30.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: