Unfassbar: Vanessa Redgrave wird 70:Dieses Rot. Das bin ich!

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Seeing is believing, sagt das Kino. Sehen bedeutet glauben - aber natürlich meint es das nicht wirklich so. Doch es gibt eine, die das alles mit wahrem Furor lebt - Vanessa Redgrave zum siebzigsten Geburtstag.

Seeing is believing, sagt das Kino. Sehen bedeutet glauben - aber natürlich meint es das nicht wirklich so. Man muss nur jene berühmte Szene nehmen, wenn der junge Star-Fotograf die mysteriöse Frau trifft - es geht um ein Foto, das er in einem Park von London schoss und dem sie hinterher ist. Wir müssen aufpassen, sagt der Fotograf zu ihr, dass wir nicht alles kaputtmachen - wir haben uns doch gerade erst getroffen. Nein, sagt die Frau, wir haben uns nicht getroffen. Du hast mich nie gesehen ...

(Foto: N/A)

Dass ausgerechnet Vanessa Redgrave, die aufrichtigste, geradlinigste, kämpferischste Frau des britischen Theaters und Kinos das mysteriöse Zentrum von ,,Blowup'' darstellen darf, ist einer der stärksten Stücke des trickreichen Michelangelo Antonioni. Eine Frau, die sich, wo sie geht und steht und auftritt, ihrer Naivität und reinen Überzeugung rühmt, die Evidenz zur Grundlage ihrer Politik macht - sehr viel überzeugender als die 68-Clique hierzulande, die grad fröhliche Wiederkehr feiert in den Medien.

Ja, in der zweiten Hälfte der Sechziger hat Vanessa Redgrave, das prominenteste Mitglied der Redgrave-Schauspieler-Dynastie, das Kino auf der Insel aufgemischt, mit Hilfe der jungen Regisseure Karel Reisz und Tony Richardson und ein wenig Beistand von den Hollywoodianern Fred Zinnemann und Sidney Lumet. Mit Richardson war sie ein paar Jahre verheiratet - sie haben zwei Töchter, Joely und Natasha, die ebenfalls Schauspielerinnen wurden -, dann zog sie weiter, für ein paar Jahre, zu Franco Nero.

Redgrave ist Kämpferin, ihr Furor ist so sozialistisch wie shakespeareanisch. Früh hat sie für die Sache der Palästinenser Partei ergriffen, das hat sie, heißt es oft, viele gute Rollen gekostet. Sie wettert gegen Guantanamo, protestierte, als im vorigen Jahr der New York Theatre Workshop das Stück ,,My Name Is Rachel Carrie'' verschob - Carrie starb, als sie sich im Gazastreifen vor einen israelischen Panzer stellte. In Sarajewo hat sie, bei mehreren Aufenthalten, erfahren, was es bedeutet, den Geist des Widerstands aufrechtzuhalten - und dass Widerstand Veränderung bedeutet.

Man ist erstaunt, wie viele schlechte Filme sie überstanden hat. Wie bewegend sie ist, eine Intellektuelle, die sich ihrer Naivität nie schämt, in ,,Julia'', mit Jane Fonda im Lokal im faschistischen Berlin - sie hat den Oscar für die beste Nebenrolle dafür bekommen, bei der Oscar-zeremonie hat sie für die Sache der Palästinenser gesprochen. Souverän, wirklich reif ihre Szenen in ,,Yanks'', ,,The Bostonians'', schließlich ,,Ballad of the Sad Cafe'', nach Carson McCullers: eine Frau im amerikanischen Süden, die die Leute ihrer Stadt kuriert - auch mit Selbstgebranntem. Brennend war ihre Isadora Duncan, die Tänzerin, die in die UdSSR zog und dort eine Tanzschule eröffnete, den verrückten Dichter Jessenin heiratete und später dem Westen klarmachte, dass Rot die Farbe des Feuers und der Emotion und der Revolution ist - und wie das alles zusammenhängt: ,,This red! So am I!'' Die Dekadenz, in der das revolutionäre Feuer lodert. Heute wird diese Frau siebzig.

© SZ v. 30.01.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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