Zerstörte Kunstwerke:Steht ein Pferd in der Garage, ist es weg

Weil er einer Pferdeskulptur mit der Motorsäge zu Leibe rückte, wurde ein Mann zunächst zu 73.500 Euro Schadenersatz verurteilt - jetzt scheiterte auch eine außergerichtliche Einigung mit dem Künstler. Der Mann ist nicht der Erste, der ein hochdotiertes Werk zerstört hat. Ein Überblick über die skurrilsten Kunstbanausen.

Felicitas Kock

Zunächst hatte die Pferdeskulptur "Hedon is (my) Trojaner" unbeachtet in einer Garage gestanden - doch dann wurde die Miete für die Unterbringung nicht bezahlt und es ging dem aus Computertasten zusammengezimmerten Tier mit der Motorsäge an den Kragen. Eine traurige Geschichte, die der Zerstörer womöglich teuer bezahlen muss: Nachdem er zunächst zu 73.500 Euro Schadenersatz verurteilt worden war, ging er in Berufung. Eine außergerichtliche Einigung mit dem Künstler scheiterte an diesem Donnerstag - sodass der Prozess am Oberlandesgericht Nürnberg in die nächste Runde gehen wird. Ein Gutachter soll nun den Wert des Kunstwerkes schätzen.

Pferdeskulptur Prozess

Der Künstler Babis Panagiotidis mit einem Poster seiner überlebensgroßen Pferdeskulptur "Hedon is (my) Trojaner".

(Foto: dpa)

So skurril der Fall auch klingen mag - der pferdezerstückelnde Garagenbesitzer ist nicht der Erste, der sich erlaubt hat, ein Kunstwerk zugrunde zu richten, sondern gliedert sich in eine lange Reihe kuriosen Kunstfrevels ein. Die Gründe für den Akt der Zerstörung sind dabei vielfältig. Von Unwissenheit über Ungeschick bis hin zur bewussten Zerstörung, die Kunstwelt hat schon einiges gesehen. Meistens ist das Werk nach der Untat bekannter als zuvor. Oft ist es für das Gemälde, das Graffiti oder wie in diesem Fall das Computertasten-Pferd dann aber zu spät - und es ist unwiederbringlich verunstaltet.

Von Fettecken und Badewannen

An einem Frühlingstag des Jahres 1982 stieg Joseph Beuys auf eine Leiter in der Düsseldorfer Kunstakademie und packte eine Portion Butter an die Wand. "Fettecke" hieß das Kunstwerk, das fünf Meter über dem Fußboden vor sich hin triefte. Vier Jahre später, Beuys war seit einigen Monaten tot, die Butter noch in großen Teilen an Ort und Stelle, ereignete sich der bislang wohl bekannteste Fall versehentlichen Kunstfrevels: Der Hausmeister der Kunstakademie wurde des ranzigen Geruchs überdrüssig und entfernte den Fettklumpen.

Joseph Beuys

Berühmtestes zerstörtes Kunstwerk: Eine der "Fettecken" von Joseph Beuys.

(Foto: dpa)

Es folgten: ein Aufschrei in der Kunstszene und eine Klage des langjährigen Beuys'schen Atelierleiters Johannes Stüttgen. Seinen Angaben zufolge hatte Beuys die Butter-Aktion in der Kunstakademie mit den Worten "Johannes, jetzt mache ich dir endlich deine Fettecke" eingeleitet. Stüttgen sah sich deshalb als Eigentümer - und das für die Kunstakademie verantwortliche Land Nordrhein-Westfalen zahlte ihm 40.000 Mark.

Es handelt sich hier um ein klassisches Beispiel versehentlicher Kunstzerstörung. Beuys-Kenner wissen, dass Fett in seinem Wirken eine wichtige Rolle spielte. Viele andere sind sich darüber einig, dass ranzige Butter in Zimmerecken nach schnellstmöglicher Beseitigung schreit. Wenn Kunst nicht als solche erkannt wird, das ist an dieser Stelle klar ersichtlich, so ist die Gefahr, dass sie zerstört wird, relativ groß.

Beuys konnte sich davon bereits zu Lebzeiten überzeugen: 1973 steuerte er eine Badewanne zu einer Ausstellung bei. Noch bevor die Ausstellung aufgebaut wurde, veranstaltete der SPD-Ortsverein Leverkusen-Alkenrath in den Räumlichkeiten eine Party. Nach Ende des Festes wurde die Badewanne von den Damen des Ortsvereins kurzerhand genutzt, um darin Geschirr zu spülen. Beuys klagte - und erhielt ebenfalls eine Entschädigung.

Und täglich wischt der Reinigungsdienst

Artwork by Banksy shown during Sundance Film Festival in Park City

Banksys Graffiti-Ratten zieren Wände in aller Welt - nur in Melbourne gibt es jetzt keine mehr.

(Foto: REUTERS)

Nicht nur die Werke von Joseph Beuys fielen dem Wirken unvorsichtiger Kunstbanausen zum Opfer. Im Jahr 2011 säuberte eine Putzfrau im Dortmunder Museum Ostwall eine mit hellem Belag überzogene Gummiwanne. Dass der Trog Teil von Martin Kippenbergers Installation "Wenn's anfängt durch die Decke zu tropfen" war, ahnte sie zum Zeitpunkt ihrer Putzaktion nicht.

"Nach Einschätzung der Museumsrestauratorin ist der Ursprungszustand des Werkes nicht wiederherzustellen", sagte die Sprecherin der Dortmunder Stadtverwaltung nach dem Vorfall. Die Installation aus dem Jahr 1987 hatte einen Versicherungswert von 800.000 Euro.

Keinen Ärger mit der Versicherung, dafür aber mit den Einwohnern ihrer Stadt, bekam im Jahr 2010 die Straßenreinigung von Melbourne, als sie ein Werk des Graffiti-Künstlers Banksy überpinselte. Banksy war 2003 in Australien gewesen und hatte sich in Melbourne auf mehreren Hauswänden verewigt - doch die Ewigkeit sollte nur von kurzer Dauer sein, wie sich später herausstellte.

Bereits im Jahr 2008 hatten Vandalen sein Graffiti "Kleiner Taucher" beschädigt, 2010 entfernte die städtische Straßenreinigung nun auch die Fallschirm springende Ratte - offiziellen Angaben zufolge das letzte Werk des Künstlers in Melbourne. Peinlich war die Angelegenheit vor allem für den Bürgermeister, der sich kurz vor dem Überstreichen der Banksy-Ratte noch als großer Street-Art-Fan inszeniert hatte. Um sein angeschlagenes Image besorgt machte das Stadtoberhaupt sogar den Vorschlag, zu dem stets anonym agierenden Künstler Banksy "über Hintermänner Kontakt aufzunehmen".

Ins Millionen-Dollar-Gemälde gestolpert

Pablo Picasso - imago

Eingerissen, verbrannt, bewusst verschandelt: Auch manche Arbeiten Picassos mussten schon viel ertragen.

(Foto: imago stock&people)

Im Gegensatz zu den Werken Beuys', Kippenbergers und Banksys werden die Gemälde, Grafiken und Plastiken Pablo Picassos in den meisten Fällen auch von Unbedarften als Kunst erkannt. Dennoch scheinen sie die Zerstörung fast magisch anzuziehen - ein Eindruck, der auch ihrer außerordentlichen Anzahl geschuldet sein könnte: Allein Picasso hat Schätzungen zufolge etwa 50.000 Kunstwerke geschaffen.

Seinem Gemälde "L'Acteur", das im New Yorker Metropolitan Museum of Art beheimatet ist, widerfuhr ein auf den ersten Blick besonders ungewöhnliches Schicksal: Eine junge Frau, die zu einer Gruppe von Kunststudenten gehörte, stolperte und fiel geradeaus in die zwei mal 1,15 Meter große Leinwand. Das Resultat: An der rechten unteren Ecke des Bildes klaffte ein etwa 15 Zentimeter breiter Riss. Das Bild wurde nach dem Unglück zu Konservatoren gebracht, die es so wiederherstellen konnten, dass der Makel nicht weiter auffiel.

Dass "L'Acteur" mit seinem Schicksal nicht allein ist, zeigt die Geschichte des amerikanischen Milliardärs Steve Wynn. Für 139 Millionen Dollar wollte er Picassos "Le Rêve" an einen New Yorker Manager verkaufen. Der Deal war bereits eingefädelt, da stieß Wynn auf der Verkaufs-Party voller Überschwang versehentlich seinen Ellbogen in das Gemälde.

Auf der Liste der beschädigten Picasso-Bilder stehen des Weiteren mehrere Arbeiten, die bei Bränden zerstört wurden, sowie das Gemälde "Femme au fauteuil rouge", das in einem Museum im amerikanischen Houston von einem Vandalen beschmiert wurde.

Der jüngste bekanntgewordene Kunstfrevel ereignete sich im spanischen Städtchen Borja - und er war eigentlich gut gemeint. Cecilia Giménez, eine Frau in ihren Achtzigern, gelangte in Spanien zu ungewollter Berühmtheit, nachdem sie ein Kirchenfresko aus dem 19. Jahrhundert übermalt hatte. Mit Farbe und Pinsel rückte sie dem durch eindringende Feuchtigkeit zunehmend beschädigten Wandgemälde zu Leibe. Weil das Ergebnis eher einem Affen als einer Christusdarstellung gleicht, muss die selbsternannte Künstlerin möglicherweise mit einer Klage rechnen.

Ein Blick in die Reihe verschandelter und vernichteter Arbeiten bedeutender Künstler zeigt: Machen sich Laien an einem Kunstwerk zu schaffen, endet das meist böse. Ganz egal, ob sie es mit besten oder schlechtesten Absichten getan haben.

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