Süddeutsche Zeitung

Umstrittene Kunst:Mützenmänner

Ist Philip Guston mit seiner Ku-Klux-Klan-Satire ein Rassist? Museen verschieben seine Ausstellung, weil sie "falsch interpretiert werden" könnte.

Von Catrin Lorch

Die Kunstwelt streitet um Philip Guston, genauer gesagt: die kleinen Figuren, die auf vielen seiner Gemälde zu sehen sind und in ihren weißen Mützenmänteln an Mitglieder des Ku-Klux-Klans erinnern. Dieser Motive wegen wurde jetzt die lange geplante Ausstellungstournee "Philip Guston Now" verschoben, die gemeinsam von der National Gallery in Washington, der Londoner Tate Modern sowie Kunstmuseen in Boston und Houston vorbereitet worden war. Statt 2021 wird 2024 Vernissage gefeiert. Die Verschiebung um drei Jahre sei notwendig, so eine Sprecherin der National Gallery, weil im aktuellen politischen Klima die Gefahr bestehe, dass sie "falsch interpretiert werden und die Gesamtheit des Werks überschatten", man wolle "schmerzhafte Erfahrungen" vermeiden. Die Schau solle warten, bis die "Botschaft sozialer und rassischer Gerechtigkeit", die im Zentrum von Gustons Werk stünde, "deutlicher herausgelesen" werden könne.

Die Szene regiert alarmiert. Zwar gab es in den vergangenen Jahren überraschenderweise wieder heftige Auseinandersetzungen um Malerei - wie beispielsweise den Streit um die Frage, ob eine weiße Künstlerin wie Dana Schutz überhaupt eine Aufnahme der Leiche des Lynch-Opfers Emmett Till für ein Gemälde verwenden dürfe. Und auch die Unruhen im Sommer, während derer Demonstranten in den USA und Großbritannien Denkmäler von Sklavenhaltern von den Sockeln stürzten, haben die Stimmung aufgeheizt.

Die Kunstwelt ist überrascht: Soll das Publikum bevormundet werden?

Doch überrascht es viele, dass sich die großen, bedeutenden Museen nicht entschiedener hinter ihr eigenes Programm stellen. Robert Storr, dessen Biografie zum Leben des Künstlers gerade erschien, spricht von der "Feigheit der Museen", Mark Godfrey von der Tate warf den Entscheidern vor, ihr Publikum zu bevormunden. Philip Guston, geboren im Jahr 1913 in Montreal als Kind russisch-jüdischer Einwanderer, war zeitlebens politisch eher links zu verorten. Gerade die fiesen, zigarrenpaffenden und sehr weißen Männchen sind keine Idealisierungen des Ku-Klux-Klans - sondern erinnern eher an bösartige Cartoons oder satirische Zeichnungen. Die Argumente für die Absage wirken angesichts der Gemälde erschreckend konfliktscheu. Zumal im bereits vorab erschienen Katalog afroamerikanische Künstler wie Trenton Doyle Hancock und Glenn Ligon sich in Essays mit den Ku-Klux-Klan-Motiven beschäftigen. Musa Meyer, die Tochter des im Jahr 1980 verstorbenen Künstlers, schreibt in einem Brief, dass sie vor allem deswegen unglücklich über die Verschiebung der Ausstellung sei, "weil es jetzt der Moment ist, in dem diese Bilder gesehen werden sollten".

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SZ vom 29.09.2020
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