Süddeutsche Zeitung

Umstrittene Internetseite:Das Kreuz mit dem Netz

Die Inhalte von kreuz.net sind alles andere als katholisch, sie sind weder christlich noch menschlich. Die Autoren und Macher der Seite kommen jedoch aus der Mitte der katholischen Kirche. Für die wird das Hassportal zunehmend zum Problem.

Von Matthias Drobinski

Der Internetauftritt kreuz.net ist nicht katholisch, jedenfalls nicht, wenn man Inhalt und Stil der dort veröffentlichten Beiträge und Leserkommentare zum Maßstab nimmt. Es ist nicht christlich, katholisch, irgendwie menschlich, die Judenvernichtung der Nazis zu leugnen und heute lebende Juden zu schmähen, über Schwule in Fäkalsprache herzuziehen und alle herabzusetzen, die von der angeblichen, in Wahrheit aber selbst gesetzten Rechtgläubigkeit abweichen. Und es ist ein gotteslästerlicher Missbrauch des Gekreuzigten, wenn die - noch - anonymen Macher ein Kruzifix in den Kopf ihrer Seite im Netz montieren.

Und doch ist kreuz.net sehr katholisch, so sehr, dass dies zunehmend ein Problem der Bischöfe in Deutschland, Österreich, der Schweiz wird - bis in den Vatikan hinein. Denn je mehr die Recherchen der Journalisten und des schwulen Theologen David Berger gemeinsam mit einem Szene-Verlag über die Hintergründe des Hass-Portals zutage bringen, umso deutlicher wird klar: Es sind keine von der Kirche abgespaltenen Piusbrüder, die diese Seite maßgeblich betreiben. Sie kommen auch nicht aus dem sektiererischen Gewimmel am Rande und jenseits des Randes der katholischen Kirche, wo man Engelhierarchien aufstellt, über Seher und blutende Birken raunt.

Die Macher von kreuz.net und viele Autoren kommen vielmehr direkt aus der katholischen Kirche. Sie rekrutieren sich offenbar aus einer Szene, die zwar klein ist, die sich aber für die Mitte hält, den rechtgläubigen Kern einer verlotternden Kirche. Sie kann sich der Unterstützung und Sympathie bis in hohe Kirchenkreise sicher sein. Da tauchen auf kreuz.net interne Dokumente aus der Bischofskonferenz auf, erfährt man Details aus dem Vatikan oder aus einer Pressekonferenz, die nur wissen kann, wer dort war. Solche Nachrichten werden nicht am Rand der katholischen Kirche gehandelt. Wie eng die Verbindungen zum "Netzwerk katholischer Priester" zumindest war, zeigt sich nun, da der inzwischen zurückgetretene Sprecher des Netzwerks, der Mainzer Bistumspfarrer Hendrick Jolie, zugeben musste, Beiträge für die Hass-Seite verfasst zu haben.

Die Reinigung des Schmutzes

Jolie hat dort nicht den Holocaust geleugnet, und die Aussage, dass der gestorbene Entertainer Dirk Bach wegen seiner Homosexualität nun in der Hölle brate, ist ihm auch nicht eingefallen. Jolie und andere Priester, die sich von kreuz.net zitieren lassen oder selber mal in die Tasten hauen, betreiben etwas anderes, nicht weniger Gefährliches: die Reinigung des Schmutzes, die Adelung des Hasses.

Wenn der Priesternetzwerkssprecher dort schreibt, ist kreuz.net nicht doch irgendwie in Ordnung? Schließlich hat erst im Oktober Erzbischof Jean-Claude Perisset an der Jahrestagung des Priesternetzwerks teilgenommen und den "mitbrüderlichen und harmonischen Austausch" gelobt - Perisset ist der Nuntius in Deutschland, des Papstes Botschafter also.

Lange haben die Bischöfe kreuz.net möglichst ignoriert. Sie wollten der Menschenverachtung nicht auch noch Prominenz verleihen, sie gehören selber zu den Diffamierten, und seit Jahren distanzieren sie sich in aller Schärfe von kreuz.net. Sie haben aber auch deshalb weggesehen, weil viele ahnten, dass es schmerzhaft werden könnte, genau hinzuschauen. Nun dürften für sie die Wochen des schmerzhaften Hinsehens beginnen.

Und Wochen der Konsequenzen: Wenn Priester wie Jolie ihre gern herausgestellte Glaubenstreue ernst nehmen, müssen sie sagen, was sie über kreuz.net wissen. Die Bischöfe müssen die Mitarbeit dort unter Strafe stellen. Und die Bischofskonferenz sollte mit allen zusammenarbeiten, die dem Spuk im Netz ein Ende machen wollen - ob sie schwul sind oder nicht.

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Quelle:
SZ vom 29.11.2012/vks/bavo
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